Vorwort
Es war schon zwei Jahre her. Abgesehen davon, dass 2012 kein SNEF statt fand, wäre mir in diesem
Jahr auch gar nicht nach einem grossen Schweizer Festival gewesen. Die mit Amphetaminen
verseuchten Gesichter waren mir vom SNEF 2011 noch zu präsent, und zu viele Negativerlebnisse
prägten meine Wahrnehmung der Schweizer Goaszene seit 2011. Damals reiste ich vom SNEF an
das OZORA. Das Festival in Ungarn rettete mir innerlich den Festivalsommer.
Dieses Jahr lief es umgekehrt. Ich war erst am S.U.N. in Ungarn und kam recht zerschlagen und mit
gemischten Eindrücken zurück, allerdings nicht wegen den Menschen am Anlass. Ich plante
eigentlich das Festival in Ungarn um ein gutes Erlebnis zu haben, das SNEF wollte ich lediglich
besuchen, um einen Tag gute Musik zu hören. So ärgerte es mich ein wenig, dass meine Favorits
über drei Tage verteilt wurden. Im Endeffekt spielte das aber eine sehr untergeordnete Rolle.
Zum SNEF ist zu sagen, dass es ein Festival nach Schweizer Art ist. Alles funktionierte, ich konnte
keine organisatorischen Mängel feststellen. Nicht, dass dies in anderen Ländern nicht auch
vorkommen würde, es schien mir aber einfach sehr schweizerisch, dass sogar die Wasserhähnen neu
und nicht recycled waren.
Aufgehts....
Die Schweizer Behörden sind ja mit allerlei Spielsachen ausgerüstet, um den Festivalgänger zu
plagen. Der Alkohol-Blastest und der Schnüffelhund sind da fast noch die harmloseren Utensilien.
So beschloss ich mich für eine Anreise mit dem Zug, da diese ungefährlicher und
ordnungshüterverträglicher ist.
Normalerweise ist so eine Anreise mit dem Zug von sehr begrenztem Gepäck und grosser
Schlepperei geprägt. Wie schön ist es doch, wenn ein Kumpel schon im Voraus anreist und sich
bereit erklärt, bereits ein Stück Gepäck mitzunehmen. So fing die Sache für mich schon einen Tag
vorher an, indem ich das Campingzeug in einen Kofferraum stellte.
Und nun gehts wirklich los
Meine Freundin, auch bekannt als Tiger-Busi übernachtete bei mir, so zogen wir morgens um 9.30
los. Eine Bekannte aus Brugg war so nett uns an den Bahnhof zu fahren, sodass wir trotz am 1.
August fehlender Busverbindung den 10 Uhr Zug nehmen konnten. An dieser Stelle ist zu
erwähnen, das dies das erste Tiger-Busi-Festival war, und so war noch nicht ganz klar, wie die Lady
mit Katzen-Zügen die Sache aufnehmen und verkraften würde. In Zürich trafen wir auf meine
Schwester, die von früheren Partyreports als „das kleine Mädchen“ bekannt ist. Vielleicht muss ich
sie im laufe dieses Berichts noch umtaufen. Obwohl sie (zu meinem Erstaunen...) immer noch nicht
gewachsen ist, scheint mir der Name nicht mehr ganz passend.
So sassen wir also gemeinsam im Zug nach Chur, Tiefencastel und im pumpevollen Postauto nach
Rona. Ich unterhielt mich mit ein paar Jugendlichen über die Goaszene. Ich vertrat wieder einmal
die Meinung, dass Goa nur noch ein Kleiderstil sei, und dass die Partys vom Spirit her nicht mehr
etwas besonders seien. Da kam der Bus an
Das Camp
Die Basis unseres Camps bildete ein Wohnwagen. Unsere Sissi ist ein Mann. Er erhielt diesen
Namen im Zusammenhang mit Unverträglichkeit mit nassem Wetter. So ist es auch nicht
verwunderlich, dass er seinen Besitz von Zelt zu Zeltklappanhänger zu Wohnwagen erweiterte.
Vermutlich wird er in Zukunft irgendwann ein fahrbares Partygelände besitzen, in dem er ein
Einfamilienhaus mit Whirlpool eingebaut hat. Jedenfalls war es auch Sissi, der praktisch das ganze
Campingmaterial von Tier-Busi und mir auf den Platz fuhr. Und er erwies sich ebenfalls
hervorragend im Zeltplatz reservieren. So konnten das kleine Mädchen, Tiger-Busi und ich ohne
mühe die Zelte an einem praktischen Ort aufstellen.
Der Schatten von Sissis Wohnwagen-Plane war erstklassig. Und ein Tisch und ein paar Stüle, und
eine saubere Toilette sind an einem Festival der ultimative Luxus. Obwohl schon zehn mal getan
danke ich Sissi her nochmals schriftlich. Die Verdauungsprobleme, die ich noch vom SUN
ausbadete, wären ohne seine fahrbare Toilette vermutlich recht mühsam gewesen.
Ebenfalls zum Camp gehörte die Party-Nudel. Die Party-Nudel ist eine reife Dame, die in ihrem
Geist und Konsumtraining aber aussergewöhnlich jugendlich geblieben ist. Sie wohnte mit Sissi im
Wohnwagen und sorgte stets für gute Unterhaltung, besonders in Momenten in denen ein Anflug
von Langeweile hätte auftauchen können.
Die Stimmung auf dem Campingplatz war gut. Sissi und die Party-Nudel hatten sich schon mit
diversen Nachbarn angefreundet. Gerüchten zu Folge versuchte ein Nachbar aus dem grossen
Kanton am Vorabend unsere Party-Nudel mit einem Filterjoint unter den Tisch zu kiffen. Als er von
ihr einen Party-Nudel-Joint ohne Filter und der für sie typischen, astronomischen Menge Gras
erhielt, musste er klein bei geben und spazierte mit etwas Schlagseite wieder davon.
Optik
Zu dieser Zeit lief noch keine Musik auf dem Platz. Wir gingen aber schon mal was essen, bevor
wir uns für den Abend klar machten. Am Eingang wollte dann ein Angestellter der VIP Security den
Ausweis von Tiger-Busi sehen. Tiger-Busi ist heute 28 Jahre alt, also 10 Jahre über dem benötigten
Mindestalter für das SNEF. Die Szene war derart lächerlich, dass ich mir als 33 jähriger den Spruch
„ich gehe nicht mit Minderjährigen ins Bett“ nicht verkneifen konnte. Und ich glaube ich werde das
Gesicht des Securitys nicht mehr vergessen, als er den Ausweis sah. Wir wünschen ihm, dass er sich
die für seinen Job benötigte Menschenkenntnis noch erarbeiten kann.
Es war schon beeindruckend, was die alles auf den Platz gestellt hatten. Der Main Floor mit den
Blumen, die sich im Wind bewegten und in der Nach leuchteten, waren der Hammer. Der Butterfly
Stage mit den vielen Segeln mit den blauen Verzierungen ein super Kontrast. Ich könnte das noch
weiter führen, aber es endet sowieso darin, dass der Platz ganz einfach einmalig aussah. Ich glaube
besser gehts nicht.
Musik
Ca um 19 Uhr ging dann die Musik los. Zen Mechanics war ein bisschen langweilig, aber so zum
warm werden und mit einem Festival im Rücken ganz ok. Cosmosis gefiel den anderen eher als mir.
Das Set hatte vor allem keine Linie drin und war teils sehr kitschig. Aber es war trotzdem ganz
tanzbar, und ich hatte Spass weil die anderen Spass hatten. Tiger-Busi freute sich, dass sie an
diesem Festival doch noch eine E-Gitarre zu hören bekam, Sissi betitelte die Musik als den führ ihn
typischen „zwischen spacig und kitschig“ Stil, und die Party-Nudel war froh weil es einfach abging.
Sie nervte sich aber gelegentlich mit mir ab der fehlenden Linie im Set. Wie schön ist es doch,
etwas zu reden zu haben
Ich selber gehe eigentlich vor allem wegen der Musik an Festivals. Seit ich auch an Goa Partys
nichts mehr wie Spirit oder so finden kann, ist die Musik das einzige was mich noch an diese
Anlässe bewegt. Der Donnerstag Abend war mir aber Musikalisch nicht wichtig, so versuchte ich
meine Begleiter zu einem frühen schlafen und aufstehen mit den ersten Sonnenstrahlen zu bewegen.
Schlafen
Es kommt selten vor, aber manchmal hört mein Umfeld auf mich. So waren wir allem um
Mitternacht im Bett. Es versteht sich von selbst, dass eine richtige Sissi einen Schönheitsschlaf
braucht. So schliefen wir ein gutes Stück weit vom Partygelände entfernt in ziemlicher Ruhe. Dem
entsprechend war die Qualität des Schlafes auch recht hoch. In Ruhe, auf der Exped Matte mit dem
Tiger-Busi im Zelt schläft es sich doch recht komfortabel.
Aufstehen
So machte es mir keine Mühe um 7:00 aufzustehen und die anderen zu wecken. Um 8:30 legte
schliesslich BurnInNoise, einer meiner alten Favoriten, auf dem Main Floor los.
Die anderen brauchten etwas mehr Zeit als ich, besonders die Party-Nudel schien nicht besonders
morgentauglich zu sein. Wir schafften es aber trotzdem, um 9 Uhr auf der Tanzfläche zu stehen. Das
heisst.. .nicht ganz. Die Party-Nudel verspätete sich um eine halbe Stunde, holte die versäumte Zeit
aber später durch umso intensiveres Feiern nach.
Goa Feeling
Seit 2011 am OZORA hatte ich nie mehr ein derartiges Tanzfeeling wie an diesem Morgen. Das
ging wirklich ganz schön los. Da es 9 Uhr morgens war, war der Main Floor nur leicht besetzt. So
konnten wir um eine Basis tanzen, die aus unserer Picknickdecke bestand.
Das Tanzen zu BurnInNoise und Altruism tat mir bis in den kleinen Zeh gut, und ich glaube dass ich
mich in dieser Zeit auch von der einen oder anderen Verspannung vom SUN Festival befreien
konnte.
Gegen Ende des Sets von Altruism erwachte auch die Party-Nudel langsam aus dem Dämmerschlaf.
Während das Tiger-Busi sich erst richtig an das liegen auf der Decke gewöhnte. Katzen haben ja die
Eigenschaft, ca 14 Stunden am Tag zu liegen. Sissi erklärte das etwa so: So wie er super Präsenz
markieren kann, der Pauschalturist einen wichtigen Grind machen kann, kann Tiger-Busi perfekt
rumliegen. Ich für meinen Teil versuchte mich auf das tanzen zu konzentrieren.
Wiedersehen
Beim folgenden Set von Grouch brauchte ich trotz der Ohrenweide eine Pause. Als ich da auf der
Bank am Schatten sass, kam mir der DJ vom SUN entgegen. Interessanterweise suchte er gleich
meine Gesellschaft. Er war zum Sterben nervös, weil er bald selber auf der Hauptbühne auflegen
sollte. Und so war er vermutlich einfach um die Ablenkung froh. Ich für meinen Teil freute mich
ganz einfach über das Wiedersehen und ein paar Worte. Und natürlich erhöhte es meine Neugier auf
sein Set.
Alter Kram und Heinz
Zwischen dem Set von Grouch und Heinz spielte der alte Hase Namens Atmos. Mir
gefällt seine Musik recht gut. Aber für mich stellte sich während dieses Sets die Frage, ob die
Goaszene nicht ein Innovationsproblem hat. Am SNEF 2013 gab es einen Vinyl und Retro Floor.
Und da steht zusätzlich ein Act auf der Hauptbühne und spielt 15 Jahre alte Musik. Ich gehe an
Festivals um Neues zu entdecken. Auf den Main Floor, sofern ein Old School Floor vorhanden ist,
gehören in meinen Augen die neusten Tracks, die noch nicht veröffentlicht sind. Oder ist Atmos
einfach zu gross, um ihn auf einer Nebenbühne spielen zu lassen? Wenn ja wäre das ein weiteres
klares Zeichen, dass auch die Goaszene schon lange vom Kommerz gefressen wurde.
Kurz nach Mittag spielte dann Heinz. Sein Set gefiel mir sehr gut. Die Musik war ruhig und cool,
blieb dabei aber sehr verspielt. Wir tanzten und genossen den Tag weiter, das Tiger-Busi auf der
Decke liegend, die anderen Tanzend.
Staub und der Zeh
Sagen wir mal auf Grund suboptimaler Vorbedingungen kam das kleine Mädchen mit einer leichten
Verletzung am grossen Zeh an das Festival angereist. Als das Set von Heinz zu Ende ging, begann
offenbar genau dieser Zeh, oder besser gesagt der Staub, der sich mittlerweile durch das Pflaster
gekämpft hatte, an zu nerven. So war es nicht weniger als verständlich, dass das kleine Mädchen
zurück zur Basis, und den Zeh reinigen und reparieren wollte. Auch sonst fühlte sie sich nicht mehr
besonders frisch, was sie zu den dem Camp nahe gelegenen Duschen zog.
Da wir alle eine Pause gebrauchen konnten, begaben wir uns im Plenum zu der Wohnwagenbasis
zurück. Ich half bei der Reinigung und Verarztung des Zehs so gut ich konnte. Bei der gründlichen
Körperreinigung musste ich dann aber passen. Vermutlich war ich vom SUN Festival her noch ein
anderes Quantum Schmutz gewohnt, sodass ich einer der „Nichtduscher des Tages“ wurde.
Ich muss schon zugeben, dass mich die Frischen in den Gesichtern des kleinen Mädchens und von
Sissi ein bisschen neidisch machte. Ich übte mich aber in Ignoranz, was mir spätestens beim Set von
Flugbegleiter auch gelang.
Die zweite Runde
Obwohl ich normalerweise nicht allzu viel Progi auf einmal vertrage, freute mich mich auf
Flugbegleiter und Klopfgeister. Das war auch eine gemütlich tanzbare Sache, und so war es nicht
schwer, die anderen nach der Mittagspause und diversen Reinigungs- und Campingaktivitäten zum
aufstehen zu bewegen und in Marsch zu setzen. Sogar Tiger-Busi schien auf ein höheres
Energieniveau zu gelangen, sie sass nun in fast aufrechter Position auf der Decke, anstatt wie immer
auf dem tiefst möglichen Energieniveau da zu liegen.
Das war wohl auch ca die Zeit, an dem der Pauschalturist, auch bekannt als A-Hörnchen mit seinem
Hörnchenweibchen auftauchte. Die beiden konnten wegen anderer Verpflichtungen leider nicht
früher. Und ich bedaure heute noch, dass sie den wunderbaren Morgen verpasst hatten.
Tiger-Busi und Hörnchenweibchen
Hörnchenweibchen und Tiger-Busi hatten etwas gemeinsam. Beide waren zum ersten Mal auf
einem Festival. Während Hörnchenweibchen noch voll mit der eigenen Integration beschäftigt war,
war Tiger-Busi zu diesem Zeitpunkt schon weit in die Fortgeschrittenenliga vorgerückt. Hätte man
nicht gewusst, dass dies des Busis erstes Festival war, man hätte gut meinen Können sie wäre die
letzten fünf Jahre schon mit uns um die Häuser gezogen. Ich habe noch sehr selten jemanden erlebt,
der sich so schnell an neue Gegebenheiten und eine neue Gruppe angepasst und die Sitten
angenommen hat. Das Hörnchenweibchen habe ich etwas aus den Augen verloren, aber den
Erzählungen zu Folge habe sie die Integrationsphase wenige Stunden später ebenfalls mit Bravur
abgeschlossen, und den folgenden Tag ebenfalls in ganzen Zügen als Profi genossen.
Ein Tag geht zu Ende
Klopfgeister ist starke Musik, aber sie gehört eindeutig in einen Club. Draussen wirkt sie einfach
nicht richtig. Trotzdem war es ganz gut um einen absolut gelungenen Tag abzuschliessen.
Da nach diesem Act sowieso Pause für Reinigung angesagt war, kamen der Pauschalturist und
Hörnchenweibchen mit uns zurück zum Camp. Wir sassen noch ein wenig vor dem Wohnwagen
und freuten uns über einen gelungenen Tag.
Ich habe schon oft auf Momente zurück geblickt und im Nachhinein gedacht „das war etwas ganz
besonderes damals“. Nicht so dieses Mal. Von Vormittag bis kurz vor dem Schlafen gehen dachte
ich immer wieder „das ist jetzt etwas ganz besonderes“ und ich habe es in vollen Zügen genossen.
Eigentlich wäre ich mit der Sache wie sie war zufrieden gewesen und wäre glücklich nach Hause
gefahren. Tiger-Busi war aber vom erlebten so begeistert, dass sie den folgenden Tag und die Nacht
auch noch bleiben wollte. Da ich keinen Fluchtreflex verspürte und ihr einen weiteren Tag gönnen
mochte, entschieden wir einen weiteren Tag zu bleiben. Allerdings erlaubten wir uns
„auszuschlafen“ und Laughing Buddha um 06:45 auszulassen.
Main Stream
Freitag Nacht schien ziemlich krasse Musik auf dem Main Floor zu laufen, so planten wir den Tag
zu geniessen und nachts zu schlafen. Von den Acts her schien uns Samstag Nacht tanzbar zu sein.
Was ich aber nicht einrechnete, war dass am Samstag halt neben dem Festivalvolk auch noch eine
Menge übliches Partyvolk an den Festivals erscheint. Ich selber halte sowieso recht wenig vom
Schweizer Partyvolk. Sie wirken sehr unsicher, seelenlos, auf gespielte weise Cool und obendrein
noch verkleidet.
Vielleicht hat das damit zu tun, dass man in der Schweiz meistens ja nicht als Freak arbeiten gehen
kann. Dann wird vielleicht am Samstag die Woche kompensiert und 5 Mal mehr auf Freak gemacht,
als man ist. Und vielleicht auch das fünffache konsumiert? Wie dem auch sei, meinem Empfinden
nach ging die Festivalstimmung der vergangenen zwei Tage flöten. Mit dem vergangenen Tag und
noch einem Festival voraus war das aber nicht schlimm für mich. Wir verbrachten trotzdem einen
schönen Nachmittag. Halt sehr ruhig, es war auch ziemlich heiss, da an diesem Nachmittag kein
Wind wehte.
Was eher schade war, dass am Abend die Musik den Massen angepasst wurde. Es war schon
erstaunlich für mich; ich kannte die Musik von Avalon, Killerwats und Tristan ein Bisschen.
Killerwats hörte ich sogar eine Woche vorher am SUN in Ungarn. Was hier gespielt wurde hatte
aber nichts mit diesem Set zu tun. Die Musik war deftig und Seelenlos. Vielleicht ideal für
jemanden der sich unter Alkoholeinfluss die Seele aus dem Leib tanzen muss, aber sicher nichts für
runter gefahrene Festivalbesucher.
Wir sassen an diesem Abend die meiste Zeit auf der Decke. Wechselten hin und wieder zum
Butterfly Stage und zum Retro Floor. Jedoch ohne Erfolg. Die Musik war überall einigermassen
simpel bis primitiv, einfach in anderem Stil.
Der X5er und die Polizei
Da mir die Musik nicht gefiel, die Gruppe einfach zu finden war und meine vom SUN havarierte
Verdauung wieder in Gang kam, entschloss ich den 20 Minütigen Spaziergang zum Camper
anzutreten und mich auf den Thron zu setzen.
Was ich zu diesem Zeitpunkt vergessen hatte, war der BMW X5 der gleich bei uns an der Strasse
neben einem Camp platziert war; genau richtig um ein deutliches „schau wie geil wir sind“
auszustrahlen. Wir witzelten hin und wieder über dieses Impotenzkompensationsfahrzeug, zu
diesem Zeitpunkt hatte ich es aber wie gesagt vergessen.
Was mir aber auffiel, dass auf diesem Camp unwahrscheinlich viel los war. Oder waren es einfach
die vielen Taschenlampen die.... zu knapp 10 Polizisten gehörten? Aja, da standen ja auch zwei
Polizeiautos. Wie ich am Getränkestand erfuhr, bestand da offenbar konkreter Verdacht auf
Drogenhandel.
Ich entschied mich nicht allzu lange in der Nähe der Ordnungshüter aufzuhalten, ging zum Camp
und erledigte meine Sachen, ehe ich mit den leichten Schuhen an den Füssen den Rückweg antrat.
Ich fand die Szene auf dem Partygelände ziemlich unverändert vor. Wir blieben noch eine Weile,
genossen die gigantische Lichtshow.
Nochmals Mainstream
Man kann sagen, dass Musik Geschmackssache sei; ebenso dass der Tanzstil zu diesem Geschmack
gehöre. Auch dass ein gewisser Alkoholkonsum normal und zu akzeptieren sei.
Dinge die ich aber nur mit der Dummheit der grossen Massen erklären kann sind, dass ich am
Samstag Abend zum ersten Mal jemand an den Wegrand habe pinkeln sehen. Ich konnte die zwei
Jungs auch nicht mit dem Vermerk auf die Toi Tois und ein paar Harschen Worten vom Urinieren
abhalten. Ich werde nie verstehen, wieso Männer ihre Bierdose in das Plastik-Pissoir werfen. Mir
bleibt unverständlich, wie ein junger Mann mit einem Schild mit dem Aufdruck „Ficken“ auf der
Tanzfläche stehen kann, und wieso ein anderer mit einer Gummi-Susi auf dem Rücken über das
Gelände geht.
Ich schliesse aus dem allen einfach wieder einmal eines: Dass ich nicht zur Masse passe und ich
dieser darum weiter ausweichen muss, wo es geht. Überall da wo die grosse Masse und der Alkohol
Einzug halten, geht alles kaputt was einmal war und was ich einmal geschätzt hatte.
Nächte und Coolness
Die Musik von Samstag Nacht war nicht unser Ding. Man kann einmal mehr sagen und im Falle des
SNEF 2013 unterstreichen, dass wir ja tagsüber voll auf unsere Kosten gekommen sind. Man wird
sicher aber auch verstehen, dass auch wir uns mal eine Party wünschen, die in der Nacht statt findet.
Das Ambiente ist einfach nicht das gleiche.
Trotzdem uns die Musik eher auf angetrunkene Züri- und andere Festbesucher zugeschnitten schien,
und wir eine ungewohnte Hektik auf dem Platz verspürten, genossen wir die Nacht noch eine ganze
Weile. Das kleine Mädchen tanzte sogar eine ganze Weile; das obwohl eben die Musik in unseren
Ohren mangelhaft und ihr grosser Zeh ein paar weitere Millimeter dicker.
So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass das kleine Mädchen plötzlich zur Decke
angehumpelt kam und den Schuh auszog. Etwas fliessender Eiter zeigte, dass es wohl an der Zeit
war, den Sanis einen Besuch abzustatten. Das war ja nichts schlimmes, halt einfach eine Wunde die
mal geputzt und frisch eingepackt werden wollte. In einem Shop erklärte man mir wo die Sanis
waren und so machten wir uns auf den Weg. Beide froh darüber, dass dieser Anlass über einen
Sanitätsposten verfügte.
Nun kommt der Moment an dem ich für das kleine Mädchen einen neuen Namen suchen muss. Ein
kleines Mädchen hätte nie die Coolness an den Tag legen können, mit der sie die Sache anging. Sie
humpelte zwar zur Sanität, aber mit einem Lächeln im Gesicht. Und wie der Verkäufer einem den
Videorecorder erklärt, sagte sie der Sanität locker was zu tun sei. Nötigenfalls etwas aufmachen, die
Sache mit sterilen Sachen putzen, Zugsalbe drauf, Pflaster drauf und gut ist.
Gesagt getan. Das heisst... beim Verband hat die Sanität vielleicht ein bisschen übers Ziel hinaus
geschossen. Bei dem Kunstwerk das vollbracht wurde, wäre vermutlich sogar Gaudi und Dali
neidisch geworden. Und als Ingenieur kann ich mich vor der Stabilität dieses Zehnverbandes nur
verbeugen. Das Problem war aber, dass der riesige Stoffklumpen fast nicht mehr in den Schuh
passte.
Was haben wir auf dem Rückweg zur Decke gelacht. Und was habe ich gelacht, als sie die Szene im
Sanitätsposten geschildert hat, als kompetentes Personal darüber diskutiert hat, wie man den Zeh
verbinden muss, damit der Verband sicher nicht abrutscht.
Wie gesagt, kein kleines Mädchen hätte je diese Lockerheit aufgebracht. So befördere ich sie
hiermit zum grossen Mädchen. Herzliche Gratulation.
Mit der Beförderung wars aber nicht getan. Schliesslich wollte sich auch unser nun grosses
Mädchen frei auf dem Platz bewegen können, ohne dass der Fuss den Blutwürgetod stirbt. Da gibt
es nur eine Lösung.... 2/3 der Masse des Verbandes muss irgendwie weg. Also Fuss aus dem Schuh,
Socken weg... was haben wir gelacht als wir alle das Konstrukt erblickten.
Ganz klarer Fall, ohne Schere geht es nicht. Also zurück in den Shop, wo man mich noch kennt.
„Hast du eine Schere“ frage ich. „Für den Verletzten?“ Fragt der Shopbesitzer mit ziemlich
verwirrter Miene. Man muss sich das mal vorstellen. Eben hat man jemanden wegen Fussverletzung
noch den Weg zu den Sanis gezeigt, jetzt will der eine Schere. Ich hatte ziemlich Mühe Sätze ohne
Zwischenlacher zu bauen, als ich dem Verkäufer erklärte, warum es eine Schere braucht und wie die
Sache gelaufen ist. Aber letztendlich gibt er mir die ca 25 cm lange Schere vertrauensvoll mit. Das
grosse Mädchen setzt sie mit einem schelmischen Grinsen als erstes an der Zehnwurzel an. Ein paar
Minuten später ist der Verband partytauglich modifiziert und die Schere zurück im Shop.
Und weg ist er
Wir genossen den Abend noch eine Weile, namen hie und da mit wenig Erfolg noch ein Ohr von
den anderen Floors, genossen aber im wesentlichen einfach, dass wir wieder einmal alle zusammen
weg waren. Das kommt wegen fortgeschrittenem Alter nicht mehr so oft vor. Gegen drei Uhr hatten
wir aber doch allmählich genug und entschieden uns, die Nacht noch ein wenig vor dem Camper
bei Kerzenlicht zu geniessen.
Die Polizei war mittlerweile wieder abgerückt. Der X5er BMW war nicht mehr da. Jeder zog
stillschweigend seine Schlüsse und wir gingen zum Camp. Unsere Nachbarn hatten in mässiger
Lautstärke genau den Sound am laufen, den wir uns auf der Tanzfläche wünschten. Wir witzelten
ein wenig über „man muss sich nur darauf einlassen“ und andere Sätze, die wir in
Musikdiskussionen aufschnappten und setzten uns hin.
Abflug
Nach etwas mehr zwei Stunden Schlaf sprang der auf 7 Uhr gestellte Wecker meines Handys an.
Wir entschieden uns früh aufzustehen und zeitig abzureisen. Mir war nicht besonders danach, mit
der grossen Masse in der Mittagssonne auf den Shuttle zu warten.
Nach einem Frühstück bei den Freak Brothers luden wir die Campingsachen wieder in Sissis
Kombi, schnallten die Rucksäcke auf und marschierten los. Wir hatten ziemlich Glück, einige
warteten bereits eine Stunde auf den Shuttle. Als wir ankamen dauerte es gerade noch 10 Minuten,
und das Postauto war da. Die 3/4 Stunden Aufenthalt in Tiefencastel gingen relativ schnell vorbei
und der Rest der Heimreise verlief ohne erwähnenswerte Ereignisse.
Als wir uns trennten waren wir uns einig, dass das eine riesige und tolle Sache war. Wir danken dem
OK, dass sie den Rahmen für unser Erlebnis so wunderbar generierten.