Dr. Acid hat geschrieben:Genau aus diesem Grund empfinde ich z.B. die Entwicklung des Ego's nicht als Trieb, wie das z.B. Capablanca mehrmals angefügt hat. Trieb ist etwas ganz anderes.
Die Entwicklung des Ego's ist etwas ganz natürliches, freies und hat gar nichts mit Trieb zu tun. Hingegen dann das Schützen und Ehalten des Ego's schon.
Die Entwicklung des Egos ist auch kein Trieb, aber sie beruht auf einem Trieb oder zumindest auf etwas, was sich mit einem Trieb (= ein angeborener Wille) vergleichen, ja gleichsetzen lässt.
Um das zu begründen bräuchte man aber ein halbes Buch und dann wäre es immer noch nicht eindeutig bewiesen, aber sehr glaubwürdig
Ich kann aber ein Paar Ideen liefern, vielleicht reichen sie:
Zunächst:
Ego ist ein gesellschaftlich negativ verfärbter Begriff, jedoch im rein moralischen Sinne ist er völlig neutral, natürlich und heißt eigentlich Eigennutz bzw. Eigeninteresse, welches auf einem Urtrieb beruhen soll, der zum Überleben und Schutz da ist.
Man schützt aber nie das eigene Ego, das sieht man nämlich nicht (oder hat jemand schon sein Ego gesehen?), man schützt, wenn man sich selbst schützt, seinen Körper und Geist (eigentlich jedoch nur seinen Körper, da man den Geist ja auch nicht sieht, jedoch angenommen wird, dass er mit dem Körper (dem Gehirn) zusammenhängt).
Das Ego, bzw. der Eigennutzen, Eigensinn, das Eigeninteresse, muss ursprünglich der Überlebenstrieb, ein angeborener Wille zu überleben und sich selbst zu schützen, gewesen sein, der aber heute, da es ums Überleben nicht mehr geht, ebenso unvermindert da ist und ganz andere, jedoch analoge Formen annimmt. Wenn also keine Gefahr für das Leben mehr besteht, so wie es für viele heute ist, ist dieser Wille dennoch in uns wirksam. Es wäre ja auch ein viel zu schwacher Wille, wenn er nur dann wirksam wäre, wenn es ums Überleben geht. Dann wäre es sogar u.U. zu spät. Überleben bedeutet ja auch, nach seinem Vorteil zu streben z.B. durch einen vernünftigen Beruf, ein gesundes soziales Umfeld, Vermeiden von gefährlichen Situationen, Geld, Dach über dem Kopf, familiäre Geborgenheit, geistige Ausgeglichenheit etc., um lebensbedrohliche oder unangenehme Lebenssituationen zu vermeiden. Auf dem Überlebenstrieb gründen deshalb ganz verschiedene Gefühle, die zu Beweggründen für Handlungen werden, die die Eigenschaft haben, dem Eigeninteresse zu dienen - also dem Egoismus im ethischen Sinne (damit meine ich den nicht negativ gefärbten Begriff).
Früher war es das Überleben (was es heute immer noch ist -> wenn ich heute überleben müsste, zum Beispiel in einem Krieg, hätten viele Dinge, die ich jetzt aus Eigeninteresse mache, keine Bedeutung).... heute, wo es nicht mehr ums direkte Überleben geht, sind es viele sowohl positive als auch negative Aspekte unseres alltäglichen Strebens, in denen uns das Ego bewusst wird:
Beispielsweise ist übertriebenes Verlangen nach etwas (z.B. Sex, Süßigkeiten) gierig.
Die Kontrolle eines solchen Verlangens ist vernünftig.
Beides dient jedoch dem Eigensinn resp. Eigennutzen, und was dann zu welchem Zeitpunkt getan wird, unterliegt der Erkenntnis, der Erfahrung und der biologischen Veranlagung des handelnden Individuums. Wenn jemand beispielsweise in Bezug auf Drogen gerne sich selbst zerstört, in dem er übertreibt, sieht er in Drogen nur den unmittelbaren, schnellen Genuss, nämlich das angenehme Gefühl, welches ihm die Drogen bereiten, kann aber die negativen Folgen davon entweder nicht erkennen oder sie nicht in ein vernünftiges Verhältnis setzen, um sein Handeln zu ändern. Wenn jemand behutsam mit Drogen umgeht, sie also nur selten und in Maßen nimmt, macht er das aus einer anderen Erkenntnis als derjenige, der chronisch übertreibt. Beide handeln aber aus Eigeninteresse - aus diesem kommt man nämlich gar nicht raus, obwohl man dafür nie was tun musste (man musste es beispielsweise nicht in der Schule lernen und bekam es auch nicht anderweitig vermittelt). Es war schon immer da, dieses Gefühl für sich selbst zu handeln. Was ein Indiz für etwas natürliches und gegebenes ist, was ich jetzt einfach mal auf einem Trieb beruhend nenne.
Das Ego kann sowohl positive als auch negative Formen annehmen und die menschliche Vernunft ist die Instanz, die es (bzw. die negativen und selbstzerstörerischen Teile davon; die also, die den billigen und schnellen Genuss anstreben) bändigen kann, aber auch nur wieder zu Gunsten des Eigennutzes.
Wie auch für den Sexualtrieb musste man für das Ego nie was tun, viel mehr lehrte man uns, dieses natürliche Ego zu kontrollieren, man lehrte uns zu teilen, zu geben. Wir wissen ja nicht, warum uns beispielsweise ein Körper erregt. Er tut es einfach. Und genauso wenig wissen wir nicht, warum wir ständig etwas wollen. Wir wollen einfach. Und das, was wir wollen, ist fast immer für uns selbst. Es gibt ganz ganz wenige Beispiele, in denen sich die Wirkung der Moral (oder des Mitgefühls, wenn man davon ausgeht, dieses sei das Fundament der Moral) aufzeigen lässt. Gerade, wenn Menschen einem religiösen Glauben anhängen, in dem die Moral resp. die Nächstenliebe gelehrt wird, handeln sie oft nach einem moralischen Schema, aber nicht weil sie aus Mitgefühl handeln, sondern weil sie Angst von den Folgen des nicht-moralischen Handelns haben. Wenn jemand aber aus Angst um sich selbst moralisch handelt, er also glaubt, dass die Auslassung der moralischen Tat seinem Karma anlasten oder ihn etwa ein Gott dafür bestrafen würde, mag seine Handlung noch so sehr einen äußerlich moralischen Charakter haben, aus einer ethischen Sicht ist sie aber egoistisch bzw. um ein weniger hässliches Wort zu verwenden, dient seine Handlung dem Eigeninteresse und hat keinen moralischen Wert, selbst wenn er dabei hunderte von Menschenseelen gerettet hätte.
Eine moralische Handlung liegt genau dann vor, wenn der letzte Grund einer Handlung (d.h. ihre oberste Maxime) nicht Eigeninteresse, sondern das Interesse eines anderen ist. Die moralisch wertvollste Tat liegt dann vor, wenn man sich selbst (das Ego -> die Eigenliebe) für das Leben eines
Unschuldigen aufopfert (in crawls... Beispiel fehlt die Betonung auf "unschuld", dann wäre die folgende Kontroverse gar nicht entstanden). Diese Aufopferung begreift eine vollständige Selbstaufgabe (Aufgabe des Egos (=angeborene Selbstliebe) und dem würde eine zusätzlich angelernte Selbstliebe noch mehr im Weg stehen) mit ein und ist der größte moralische Akt, da eine moralische Erkenntnis das Ego überwindet.
Die Welt ist aber voll von moralischer Scheinheiligkeit
Man kann sagen, dass fast alle Handlungen aus dem Eigennutz entstehen, viele davon werden als moralisch geglaubt, sind aber
von keinerlei moralischen Wert.
Und noch zur Selbstliebe:
Damit bewusste Selbstliebe funktioniert, muss man ja gewissermaßen sein selbst auf einem magischen Spiegel projizieren, in dem man das Innere und das Äußere seines Charakters, der aus Eigenschaften besteht, vor sich sieht (seine gesamte Ich-Vorstellung, um es mal buddhistisch zu sagen). Und dann fängt man an, nach Dingen (=Eigenschaften) zu suchen, die man lieben kann. Ist das nicht krank? Wie viele lieben sich selbst, weil sie sich schön finden? Und wie viele hassen sich selbst, weil sie sich hässlich finden?
Kann man in diesem Spiegel überhaupt sich selbst lieben oder hassen oder ist es viel mehr so, dass man nur gewisse angelernte, grundsätzlich veränderbare oder zufällige und damit gottgegebene Eigenschaften seiner Selbst sieht (Aussehen, Charaktereigenschaften), die man dann wohl eher gut oder schlecht für einen bestimmten Zweck finden kann, aber doch nicht im Sinne einer Liebe liebt? Wieso sollte man sich selbst auf ein paar Unwesentlichkeiten projizieren, wenn man doch weiß, da ist mehr dahinter. Etwas, was man im Spiegel nicht sieht. Ein Beobachter. Ein reines Ich und ein ursprünglicher Wille.
Bei so einer Betrachtung ist der Fehler unvermeidbar, dass, wenn man versucht, etwas an dieser Projektion lieben oder zu hassen, dass man das zuvor in den Bezug eines Werte- bzw. eines Vergleichssystems setzt, wobei man schon den Fehler macht, in dem man annimmt, dass das, was man sieht und bewertet, auch der Bewertung anderer entspricht.
Beispielsweise: ich bin übergewichtig. Als Übergewichtiger Mensch habe ich bei der Partnersuche geringere Chancen (reines Gesellschaftsphänomen). Also mag (liebe) ich das nicht an mir. Aber, da mein Aussehen das erste und eigentlich alles ist, was so Menschen beim ersten Blick an mir sehen, mag (=liebe) ich jetzt einen ziemlich großen Teil von mir nicht. Und so geht das weiter, z.B. auf gewisse Charaktereigenschaften hinüber.
Bis man irgendwann mal ein Gefühl der Liebe oder des Hasses entwickelt zu veränderbaren und/oder subjektiv verfärbten und zum Teil gottgegebenen Eigenschaften seines Körper und Geistes(es sind aber immer nur Eigenschaften, also Teilaspekte einer Gesamtheit). Und abhängig von der Fähigkeit der selbstkritischen Überprüfung eigener Urteile können beide Fälle entstehen, ohne dabei die vermeintlich positiven bzw. die vermeintlich negativen Dinge in einer vernünftigen Relation zur Gesamtheit zu sehen. Sprich, man kann sich selbst falsch sowohl positiv als auch negativ einschätzen und sich dann aufgrund von Hirngespinsten lieben oder hassen.
Warum soll ich aber mich selbst lieben oder hassen, wenn das, was ich liebe, entweder veränderbar ist oder ich dafür nichts kann (z.B. eine Behinderung - warum sollte jemand, der Blind geworden ist, sich selbst wegen seiner Blindheit hassen?).
Warum sollte man oberflächige Projektionen seiner selbst lieben, wenn man doch selbst die Liebe in sich ist?
Das Ding, dieser Wille, was mich zum Eigeninteresse bewegt, kann ich nicht im Spiegel sehen, ist aber das angeborene Maß an Selbstliebe in mir und aller Wahrscheinlichkeit nach unveränderbar. Die zusätzliche Selbstliebe, die man narzisstisch betreiben kann, konzentriert sich lediglich auf isolierte Eigenschaften.
Mann muss sich nicht lieben, viel mehr sollte man im Sinne des Eigennutzes (das ist die Liebe zu mir, die angeboren ist) nach eigenem längerfristigen Interesse handeln und dabei die negativen Aspekte des Egos, die, die immer auf den schnellen und billigen Genuss aus sind, unter Kontrolle halten. Sein Leben sozusagen dem Optimum nähern. Ich kann also gewissermaßen optimal für mich handeln und damit kann ich zufrieden sein. Das Gefühl der Zufriedenheit kommt wieder aus dem Eigeninteresse (bzw. aus dem, was das Eigeninteresse bedingt, und das ist angeboren), welches mir einfach bestätigt, ich habe was gutes für mich getan (so ähnlich wie der Orgasmus beim Sex - den Orgasmus liebe ich auch nicht, sondern ich nehme inn einfach wahr). Alles, was ich an mir lieben kann, sind irgendwelche Eigenschaften, die einer x-beliebigen Person angehören könnten. Mich selbst sehe ich dabei gar nicht ... auch nicht in einem magischen Spiegel. Ich sehe immer nur Veränderbares oder Zufälliges.
Was sich aber einstellen kann, ist diese besagte Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit, wenn man nach seinem besten Wissen bzw. seiner schlimmsten Dummheit für sich im Sinne des vernünftiges Eigeninteresses was erreicht bzw. im Sinne der durch Unwissenheit getriebenen Gier (= auch nur eine Form von Eigeninteresse) was verdorben hat.
Diese Zufriedenheit ist keine Liebe. Weder im moralischen Sinne noch in sonst einem nicht-pathologischen Sinne. Genauso wenig ist ein Orgasmus Liebe.
Es ist etwas, was vor Fromm gar nicht Selbstliebe genannt worden ist, sondern Zufriedenheit mit sich selbst im Sinne eines Eigensinns. Letztendlich wurde sie Eigensinn genannt und in philosophischen Kreisen Eigennützigkeit bzw. Egoismus.
Ob dann Zufriedenheit oder Unzufriedenheit vorherrscht, hängt ganz von dem Individuum ab, also seiner Erziehung, seines Erkenntnisvermögens, seiner Veranlagung und zuletzt seinen Handlungen.
Zu guter letzt, der Egoismus:
Egoismus (frz.: égoïsme; zu griech./lat.: ego = ich) bedeutet „Eigennützigkeit“. Das Duden-Fremdwörterbuch beschreibt Egoismus als „Ich-Bezogenheit“, „Ich-Sucht“, „Selbstsucht“, „Eigenliebe“.
Die philosophisch korrekte Definition:
Egoismen (Plural) sind demnach Handlungsweisen, die den Handelnden selbst als einzige Bestimmung der Handlungsmaxime haben. Dabei haben diese Handlungen zumeist uneingeschränkt den eigenen Vorteil des Handelnden zum Zweck.
und die erwähnte negative gesellschaftliche Prägung des Begriffs:
„Egoismus“ wird meistens abwertend als Synonym für rücksichtsloses Verhalten verwendet und als „unanständig“ beurteilt. Der Begriff beschreibt dann die Haltung, ausschließlich persönliche Interessen zu verfolgen ohne Rücksichtnahme auf die Belange oder sogar zu Lasten anderer. Egoismus wird in diesem Zusammenhang als Gegenteil von Altruismus und Solidarität kritisiert.
http://de.wikipedia.org/wiki/Egoismus
Ich habe auf die Schnelle keinen besseren Link - bei Bedarf wäre das aber möglich.
Die Moralphilosophie hat bezüglich dieses Themas viel beigetragen und sollte beim ernsthaften Interesse konsultiert werden.
Meine Empfehlung:
konzentriert euch nicht auf die Selbstliebe, denn die ist, wenn man sie anstrebt und glaubt, man würde sie nicht haben, m.e. immer pathologisch (=krank), zumindest wie sie von den meisten unkritischen Menschen aufgefasst wird (nämlich: "Oh gott, mein einziges Problem ist die fehlende Selbstliebe
"), sondern handelt für euch selbst und für eure Mitmenschen vernünftig (d.h. längerfristigem Nutzen gemäß für ein optimales und gesundes Leben), dann wird sich Zufriedenheit einstellen und ihr werdet glücklich sein
Diese Zufriedenheit ist dann einfach ein Gefühl, man handle richtig, und es kommt aus dem tiefsten Inneren.
Dabei muss man nichts an sich lieben oder hassen ... bestenfalls für etwas förderlich oder hinderlich halten und entsprechende Änderungen vornehmen, insofern sie möglich sind.
Just my 42 cents ....