Der Prototyp

Mysteriöse Erfahrungen, Weisheiten, Rätselhaftes.
Zachariel Drachenherz

Re: Der Prototyp

Beitrag von Zachariel Drachenherz »

Yes! Da kommt bald was! Abschluss von Kapitel 1 sei praktisch fertig und muss nur noch ein wenig wenig überarbeitet werden!

Ausserdem hab ich Dracho den Titel für das 2. Kapitel entlocken können: "Die Macht der Schizophrenie"

/doof
Zachariel Drachenherz

Re: Der Prototyp

Beitrag von Zachariel Drachenherz »

Ich habe gerade Post bekommen! Endlich wieder Lesefutter, hier ist nun das Ende von Kapitel 1 des "Prototypen". :-" O:) /bigs



Wie der Name schon implizierte, befand sich die Keller-Bar in einem alten Kellergewölbe. Wenn man die kleine Steintreppe nach dem Eingang hinunter kam und in die Bar eintrat, befanden sich auf der linken Seite an der gewölbten Kellerwand diverse einfach gehaltene Tische, auf der rechten Seite befand sich die eigentliche Bar, mit einem langen Tresen, an dessen ganzer Länge die typischen Barhocker bis weit hinten in den Raum aufgereiht standen. Die Bar war in einem rustikalen Stil eingerichtet, mit alten Wagenrädern, die zu Deckenleuchtern umfunktioniert waren, und an welchen sich auch nicht all zu gross gewachsene Menschen gehörig den Schädel anschlagen konnten.

Elvira und Michael kamen die Treppe herunter, am Kellner hinter dem Tresen vorbei, und hielten nach einem Platz Ausschau, wo sie sich niederlassen konnten. Die Bar war mit Ausnahme des grimmig dreinschauenden Mannes hinter dem Tresen leer, so setzten sie sich in die hinterste Ecke, damit beide einen Überblick über das Lokal behalten konnten. Der Kellner kam zu ihnen und fragte, was sie gerne trinken würden. Michael bestellte kurzentschlossen ein kleines Bier, während Elvira die Getränkekarte zur Hand nahm und sie eingehend studierte. Nach einer halben Ewigkeit bestellte sie ebenfalls ein kleines Bier, was der immer mürrischer dreinblickende Kellner mit einem ironischen „Exzellente Wahl, die Dame“ quittierte und hinter die Bar ging, um die bestellten Getränke zu holen.

Michael fühlte sich ein wenig unwohl, als er Elvira am Tisch schräg gegenüber sass. Eine ungemütliche Stille lag in der Luft, als beide auf ihre Bestellung warteten, und er wusste nicht, wie er diese unangenehme Stille durchbrechen sollte. Irgendwie war es ihm fremd geworden, einfach ungezwungen mit anderen Menschen zu kommunizieren, und es gingen ihm zig Dinge durch den Kopf, über die er dann aber doch nicht sprechen wollte.

Elvira erbarmte sich Michael und brach das leicht bedrückende Schweigen, das in der Luft lag. „Ja, diese Momente ungemütlicher Stille sind wirklich ekelhaft, nicht war Michi?“ Sie guckte ihn durch ihre Hornbrille an, welche es dem Betrachter ein wenig erschwerte, die dahinter liegende Schönheit ihrer Augen zu sehen. „Aber wer kennt sie nicht. Das Beste, was man dagegen tun kann, ist einfach ins kalte Wasser zu springen und mit reden anzufangen, dann wärmt sich das Wasser auch ganz schnell auf.“ Michael lächelte Elvira an, nickte und hob gerade dazu an etwas zu sagen, als der Kellner an ihren Tisch kam und die zwei bestellten Bier wortlos vor Elvira und Michael hinstellte.

„Nicht gerade der freundlichste Geselle,“ quittierte Michael das Verhalten der Bedienung. „Aber egal, wir sind ja schliesslich nicht wegen ihm hier, sondern um mal wieder ein wenig zu reden. Aber zuerst heisst es mal „anstossen“, ich habe dezent durst.“ „Recht hast du, also, zum Wohl Michi!“ antwortete Elvira, welche ihr Bier nahm und es zum Anstossen Michael entgegen hielt. „Prösterchen, Elvira,“ nickte Michael Elvira zu, als sich ihre zwei Bier mit einem Klirren näher kamen. Nach einem ordentlichen Schluck setzte er das Fläschchen ab, griff mit einer automatisch wirkenden Geste zu seinen Zigaretten und steckte sich eine in den Mund. Ohne weiter darüber nachzudenken zündete er sie sich an, inhalierte den Rauch und blies ihn wieder aus.

„Ich hoffe, es stört dich nicht, wenn ich rauche?“ fragte er Elvira, als er ihren missbilligenden Blick bemerkte, und nahm einen weiteren Zug von seinem Glimmstengel. "Du gehörst wohl zu der Sorte von Menschen, die lieber um Vergebung bittet als um Erlaubnis zu fragen“, entgegnete Elvira mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton in ihrer Stimme. „Aber rauch halt deine Zigarette, angezündet hast du sie ja schon, und meine Kleider stinken sowieso schon vom Rauch deiner Zigaretten im Büro.“

Etwas verlegen nahm Michael einen weiteren Zug von seiner Zigarette, hielt dann aber inne und drückte sie aus. „Uff, jetzt hast du mich schon grad ein wenig aus dem Konzept gebracht, Elvira. Mir ist gar nicht bewusst gewesen, dass dich der Rauch meiner Glimmstengel so stört, da hab ich mir nicht viel überlegt dabei." "Das ist ja auch ein wenig das Problem mit euch Rauchern, dass ihr, was das Rauchen betrifft, gar nicht viel überlegt. Ich möchte dir jetzt keine Predigt halten, aber es sollte doch jedem Kind klar sein, dass das Rauchen ausser Schaden rein gar nichts bringt. Man muss schon eine ausgeprägte Fähigkeit zur selektiven Wahrnehmung haben, sich selber so ein Gift zuzufügen. Und ehrlich gesagt, irgendwie macht es mich traurig, dir dabei zuzusehen, wie du dich mit diesen elenden Zigaretten langsam und schleichend selber umbringst. Manchmal scheint es mir so, als ob du mit deinem Verhalten etwas überdecken möchtest, als ob du von dir selber davonlaufen würdest. Ah, entschuldige, jetzt muss ich mich aber langsam bremsen, denn ich bin wohl doch ein wenig ins predigen gekommen, verzeih."

Michael nahm einen weiteren Schluck von seinem Bier und versuchte, eine halbwegs vernünftige Antwort auf Elviras Ausführungen zu finden, doch er musste sich selber eingestehen, dass er keine stichhaltigen Gründe vorbringen konnte, welche sein Suchtverhalten rechtfertigen würden. "Nein, du musst dich ganz sicher nicht entschuldigen", erwiderte er mit einem unerwartet ernst gemeinten Lächeln. "Du hast recht, eigentlich zeugt es von einer gehörigen Portion Dummheit, was ich mir da immer und immer wieder antue. Im Prinzip weiss ich ja, dass mir das Ganze überhaupt nichts bringt, im Gegenteil, die ewige Raucherei erstickt mich langsam aber sicher, doch kann ich irgendwie selber nicht dagegen ankommen. Es fühlt sich manchmal so an, als ob ein Monster sich meiner selbst bemächtigt hätte und ich mich nicht gegen seinen unstillbaren Hunger nach Gift wehren kann."

Michaels letzten Worte liessen Elviras Gesichtszüge ernst werden, und mit einem durchdringenden Blick fragte sie ihn: "Kannst du dich nicht gegen diesen Hunger zur Wehr setzen oder willst du es einfach nicht?"

Elviras Frage traf Michael tief. Diese Frage war wie eine verbale Ohrfeige für ihn, welche sein schlafendes Selbst unfreundlich aber bestimmt aus seinem Tiefschlaf weckte, und diese Frage kam so unerwartet für ihn wie ein echter Schlag ins Gesicht. In Gedanken versunken nahm Michael einen Schluck von seinem Bier, wobei er es in diesem Moment nicht wagte, Elviras Blick zu begegnen. „Touché“, erwiderte er schliesslich, seinen Blick immer noch gesenkt, und seufzte leise vor sich hin. „Elvira, du überraschst mich wirklich. Ehrlich gesagt, ich hatte erwartet, dass wir heut Abend ein wenig seichten Smalltalk führen und über Belanglosigkeiten des Alltags reden würden. Ich hätte nicht gedacht, dass du mir den Spiegel vorhalten würdest, in welchen ich so lange einfach nicht blicken wollte.“ Michael hob nun den Kopf und als sich ihre Blicke begegneten, empfand er eine Vertrautheit Elvira gegenüber, welche er sich nicht erklären konnte.

Elvira hob ihre Flasche zum Mund, nahm einen Schluck und lächelte Michael an, als sie die Flasche wieder auf den Tisch stellte. „Jetzt weiss ich gar nicht, ob ich deine Aussage als Kompliment verstehen oder wegen ihr beleidigt sein sollte. Also ich hab mir keine Vorstellungen über unser kleines Treffen gemacht. Warum auch, es kommt oft anders, als man denkt, oder?“ „Ich denke, da hast du recht“, entgegnete Michael lächelnd. „Nun, ob ich mich diesem Hunger nicht zur Wehr setzen kann oder ob ich das nicht will. Wenn ich ehrlich bin, fällt es mir schwer, für mein Verhalten einen Unterschied zwischen „können“ und „wollen“ zu entdecken. Nur, mir dies selber auch einzugestehen, dass ist wiederum eine andere Sache. Es ist ja nicht so, dass mich jemand mit Gewalt dazu zwingen würde, mir eine weitere Zigarette anzuzünden, es ist immer noch meine eigene Entscheidung. Aber irgendwie ist es einfacher, die Verantwortung für die eigenen Taten an jemand anderes abzugeben, zum Beispiel eben dieses „hungrige Monster“ in mir drinnen. Deine unerwarteten Worte vorhin haben mich wirklich getroffen, aber durchaus in einem guten Sinne, denn sie haben mir gezeigt, dass ich selber im Prinzip das Monster bin, wenn ich nicht die Verantwortung für mein eigenes Leben übernehmen kann oder vielmehr nicht übernehmen will. Du hast einen Punkt in mir getroffen, mit welchem ich mich nicht auseinander setzen wollte, doch jetzt möchte ich nicht mehr länger die Augen davor verschliessen. Die Verantwortung für mein Leben und meine Handlungen liegt voll und ganz bei mir selbst, ich darf nicht länger aus falscher Bequemlichkeit heraus diese Verantwortung von mir schieben.“ „Na, du musst jetzt auch nicht übertreiben, Michael, ich habe lediglich ein wenig meinem Unmut über deine Raucherei Luft gemacht. Ich hatte nicht vor, dich tiefenpsychologisch zu analysieren oder eine Therapiesitzung mit dir abzuhalten. Aber ich finde es schön, dass du nicht sauer auf meine Frage reagiert hast, sondern du tatsächlich ehrlich genug zu dir selber bist, um sie ernst zu nehmen.“

Für einen Moment sassen Elvira und Michael einfach nur da, in einer angenehmen Stille, welche sie wie eine Decke der Vertrautheit umhüllte. Diesmal unterbrach Michael diese Stille. „Du, Elvira, ich habe da noch eine Frage.“ Erwartungsvoll schaute Elvira Michael an. „Ja, was möchstest du fragen?“ „Würdest du es mir nachsehen, wenn ich jetzt eine Zigarette rauchen würde?“ „Oh Mensch Michael, du kannst aber auch echt widersprüchlich sein!“ entgegnete Elvira, nicht ohne jedoch dem Anflug eines Lächelns auf den Lippen. „Aber rauch ruhig, es scheint mir nämlich, als ob du wirklich schon etwas gelernt hast, immerhin fragst du jetzt, bevor du rauchst.“ Michael zog sich eine weitere Zigarette aus seinem Päckchen, welches neben seiner schon fast leeren Bierflasche stand, und steckte sie sich an, mit einer Bewusstheit, welche ihm üblicherweise bei dieser Handlung fehlte. „Nimmst du auch noch ein Bier, Elvira? Ich könnte durchaus noch eines vertragen.“ Elvira bejahte seine Frage und so gab Michael dem Kellner mit einem Nicken zu verstehen, dass sie gerne noch etwas bestellen würden.

Entnervt, dass er seine meditative Tätigkeit des Gläser Reinigens erneut unterbrechen musste, schlurfte der Kellner zu ihnen an den Tisch und fragte, was es denn diesmal sein solle. Michael sah zu Elvira und deutete mit seinen Augen und einem leicht verwirrten Gesichtsausdruck auf den Kellner, weshalb Elvira das Lachen nicht verkneifen konnte. Sichtlich unmotiviert nahm der Kellner ihre Bestellung auf und schlich zur Bar, um zwei weitere Flaschen Bier zu holen.

Michael nahm einen genüsslichen Zug von seiner Zigarette und amüsierte sich mit Elvira über ihre seltsame Bedienung. Die weiteren Gespräche mit Elvira verliefen zwar nicht mehr so tiefgehend wie ihr Austausch über das Rauchen, doch das war nicht weiter schlimm, im Gegenteil, es war sogar regelrecht entspannend, und Michael genoss einfach das Zusammensein mit Elvira.

Manchmal ist Smalltalk auch gar nicht so schlecht, ging es Michael durch den Kopf. Auch wenn man sich nicht über philosophisch hochstehende oder kulturell anspruchsvolle Themen unterhielt, half einem ein lockeres Gespräch mit einer Person, diese besser zu verstehen und die blosse Gegenwart des Gegenübers hoch zu schätzen und auch zu geniessen.

Schliesslich war die Zeit gekommen, den Heimweg anzutreten. Vor dem Eingang der Kellerbar verabschiedeten sich Michael und Elvira. „Danke für dieses unerwartet gute Treffen, Elvira. Ich denke, das sollten wir bald einmal wiederholen.“ „Es hat mich auch sehr gefreut, Michael. Ich wünsche dir ein schönes und erholsames Wochenende. Wir sehen uns ja am Montag wieder im Büro. Mach's gut!“ Nach den obligaten drei Küsschen zum Abschied ging jeder wieder seiner Wege, und Michael begab sich zu seinem Auto, um die Heimfahrt anzutreten.

Die Heimfahrt erwies sich um einiges entspannter als die Fahrt des heutigen Morgens. Dies lag einerseits sicher daran, dass es nun schon fast halb neun Uhr und der allabendliche Verkehrswahnsinn schon abgeklungen war, andererseits war Michael selber um einiges gelöster als noch am Morgen.

Üblicherweise fuhr Michael nach der Arbeit an einer Tankstelle oder einem Supermarkt vorbei, um sich mit Bier einzudecken, doch nach den Ereignissen des Tages und des wohltuenden Treffens mit Elvira hatte er keine Lust mehr auf Bier. Er dachte zu sich, dass es langsam Zeit wurde, seinen eigenen Bierkonsum und die damit einhergehende Flucht vor dem Alltag und sich selber zu hinterfragen. Er fühlte, wie er sich mit diesem Konsum selber Fesseln anlegte, und nicht so leben konnte, wie er es eigentlich für richtig befand. Ja, sagte sich Michael, heute Abend soll es zur Abwechslung mal anders sein. Immer dieses ewige Betäuben mit Bier, das geht mir selber schon langsam auf den Geist und kann so nicht weiter gehen. Als Michael diese Gedanken durch den Kopf gingen, erfüllte ihn eine Zufriedenheit und er spürte, als ob diese seltsame Wesenheit insgeheim lächeln würde, welche am Vorabend in sein Leben getreten war.

Oh, ich sollte noch Zigaretten kaufen, ging es Michael durch den Kopf, als er an der Tankstelle nicht unweit von seinem Wohnort vorbeifuhr. Er parkierte seinen Mitsu vor der Tankstelle und begab sich in den Shop der Tankstelle. Als er das Regal mit den gekühlten Bierdosen sah, dachte er an seinen Entschluss, für heute kein Bier zu kaufen. Nicht ohne Stolz, zu seinem Entschluss stehen zu können, lief er am Kühlregal mit dem Bier vorbei an die Kasse um sich noch ein Päckchen Zigaretten zu holen.

Als die Verkäuferin ihm ein Päckchen aus dem Zigarettenfach hinter ihr hervorholte, erblickte Michael im Regal hinter der Verkaufstheke, dass der Whiskey gerade herabgesetzt war. Hmm, dachte Michael zu sich, von Whiskey habe ich allerdings nichts gesagt... „Ich hätte zur Feier des Wochenendes noch gerne eine Flasche „Cragganmore“, sagte er schlussendlich zur Verkäuferin und begab sich nach Bezahlen der Ware schliesslich nach Hause.

Als er zu Hause angekommen war, begab er sich in seine Wohnung, gerade rechtzeitig, bevor es zu regnen anfing.
Zachariel Drachenherz

Re: Der Prototyp

Beitrag von Zachariel Drachenherz »

Kleines Preview, um die Schreibkraft ein wenig zu motivieren:

Ein ungeschliffener Diamant

Unscheinbar, doch hält er schon den späteren Glanz in sich versteckt
liegt sein ganzes Potential verborgen
im Dunkeln wartend, auf einen Morgen
der Unvollkommenes vollendet und innere Schönheit weckt.
Kapitel 2 - Die dunkelste Stunde vor dem Sonnenaufgang

"Selma... Bist Du es wirklich?" fragte Michael mit einem ungläubigen Ausdruck in seinem Gesicht.

More to come in the next couple of weeks, hehe
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Elias
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Re: Der Prototyp

Beitrag von Elias »

Und wie gehts weiter??? 8-[
http://www.vimeo.com/elfilmias
http://www.youtube.com/elfilmias

Wage du, zu irren und zu träumen! Hoher Sinn liegt oft in kind'schem Spiel.
(Schiller)
Zachariel Drachenherz

Re: Der Prototyp

Beitrag von Zachariel Drachenherz »

Michael verliebt sich in eine Frau, heiratet, bekommt Kinder (also die Frau, nicht Michael) und lebt glücklich und bis an sein Lebensende mit ihr zusammen.

Ende.


Hehe, just kidding, just kidding... ^^
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Elias
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Re: Der Prototyp

Beitrag von Elias »

:P
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Wage du, zu irren und zu träumen! Hoher Sinn liegt oft in kind'schem Spiel.
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Zachariel Drachenherz

Re: Der Prototyp

Beitrag von Zachariel Drachenherz »

Es geschehen noch Zeichen und Wunder... Oder gut Ding will Weile haben. Wenn ich so weiterschreibe, dann wird die Geschichte vielleicht noch fertig, bevor ich sterbe... (so in 80 Jahren... *g*)

„Ich frage mich, wie lange du eigentlich noch hier herum liegen willst“, flüsterte eine Stimme leise in Michaels Ohr. Michael öffnete seine Augen. Er lag auf dem Rücken, über ihm ein tiefblauer, wolkenloser Himmel mit einer unbarmherzig herunterbrennenden Sonne hoch am Firmament, unter ihm staubige Kieselsteine, die wohl zu einem Weg gehören mussten. Michael fühlte sich, als ob er gerade aus dem Schlaf gerissen worden war, und er entgegnete mit trockener Stimme: „Ich mag grad nicht aufstehen, es fühlt sich so gut an, einfach hier zu liegen.“
Er schloss seine Augen wieder, unsicher, wie er an diesen Ort gekommen war, zweifelnd, ob er tatsächlich soeben die Stimme seiner Schwester gehört haben konnte, und zugleich von einer dumpfen Gleichgültigkeit gegenüber all dem erfüllt.
„Michael, ich mache mir solche Sorgen um dich!“ Michael öffnete wieder die Augen, nun doch sicher, dass es sich um die Stimme seiner Schwester handeln musste.
„Selma? Was machst du hier? Was mache ich hier? Wo ist „hier“ überhaupt? Und wie komme ich hierhin?“ kam es über seine Lippen. Mühsam setzte sich Michael auf und sah, dass seine Schwester und er mitten auf einem Feldweg sassen, genauer gesagt, mitten auf einer Verzweigung eines Weges. Michael schaute in die beiden Richtungen, in welcher sich der Weg verzweigte. Auf seiner linken Seite führte der Weg sanft abfallend in ein Tal, wobei der Pfad immer breiter zu werden schien und je weiter er führte desto besser wurde er . Er schien in eine Art Schlucht zu führen, welche von dunklen Wolken umsäumt war, die in einem dumpfen, ja fast schon gespenstisch anmutenden Rot zu schimmern schienen und von Gewitterleuchten durchzuckt wurden.
Der Weg, welcher zu seiner rechten Seite abzweigte, schien immer schmaler zu werden und führte über saftig grün leuchtende Wiesen hin zu einem Gebirge. Bei genauerer Betrachtung war es aber kein gewöhnliches Gebirge, sondern es machte den Eindruck, aus Kristall oder etwas ähnlichem aufgebaut zu sein. Leuchtende, strahlende Bergspitzen ragten hoch hinauf in den stahlblauen Himmel, so hoch, dass von Augen nicht zu erkennen war, wo sie endeten. Michael glaubte zu erkennen, wie der Weg an einer dieser Spitzen entlang führte, doch er war sich nicht sicher, ob das nicht bloss seiner Fantasie entstammte.
Michael rieb sich die Augen, drehte sich zu Selma und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Okay Selma, ich habe verstanden. Ich denke, ich bin wieder mal in einem Traum, denn anders kann ich mir deine Gegenwart und dieses skurrile Szenario hier nicht erklären. Aber ich finde, du trägst diesmal ein wenig gar dick auf mit der Symbolik: Wir sitzen an einem Scheideweg, noch deutlicher kann man das wohl nicht zum Ausdruck bringen...“ sagte Michael mit heiserer Stimme zu seiner Schwester. Ihre Antwort überraschte ihn jedoch und traf ihn tiefer, als er es sich selber eingestehen konnte. „Michael, ich bin nicht diejenige, die träumt. Ich versuche lediglich, dir zur Seite zu stehen, aber wenn du dich selber aufgibst und deine Verantwortung für dich selber nicht übernehmen willst, dann sind mir die Hände gebunden. Es macht mich unendlich traurig, dich so zu sehen, wie du resigniert hast und dein Leben an dir vorbei ziehen lässt. Es ist nun wirklich an der Zeit für dich zu erwachen. Und ich befürchte, wir werden uns nie mehr sehen können, wenn du nicht hier und jetzt dein Leben in den Griff bekommst.“ Selma wandte sich von ihrem Bruder ab, Tränen in ihren Augen. Michael wollte sie fragen, was sie damit meinte, dass sie sich nie mehr sehen könnten, doch plötzlich überstrahlte ein grelles Licht alles um ihn herum, verschluckte Selma, den Weg, die Berge im Hintergrund und schlussendlich ihn selber. Für einen Moment war er vollkommen geblendet, umgeben von diesem Licht, durchdrungen von diesem Licht, doch plötzlich schien sich dieses Licht in sich selber zusammenzufalten, es war, ob es in einem alles verschlingenden Strudel des Nichts verschwinden würde, bis alles um ihn herum einer kalten Dunkelheit wich, die jegliche Hoffnung zu ersticken schien.


Er lag noch immer auf dem Rücken, konnte sich aber kaum bewegen. Sein Kopf schien jeden Moment zu explodieren, und er versuchte verzweifelt, die Erinnerung an seinen Traum zu behalten, doch sie verblasste sehr schnell und war für seinen Verstand nicht mehr greifbar, wie Nebelschwaden, die über ein braches Feld zogen. Michael wusste zuerst nicht, wo er genau war, doch langsam fiel ihm auf, dass er in seinem Büro zu Hause auf dem Boden lag, begraben unter einem Haufen von Büchern und dem dazugehörenden Bücherregal. „Was zur Hölle habe ich getan?“ durchfuhr es sein immer noch von Alkohol getränktes Hirn.


Kapitel 2 - Die dunkelste Stunde vor dem Sonnenaufgang
Ein ungeschliffener Diamant
Unscheinbar, doch hält er schon den späteren Glanz in sich versteckt
liegt sein ganzes Potential verborgen
im Dunkeln wartend, auf einen Morgen
der Unvollkommenes vollendet und innere Schönheit weckt.
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