Im eigenen Denken

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Capablanca

Im eigenen Denken

Beitrag von Capablanca »

Hallo,

ich habe einen kleinen Text verfasst, den ich gerne loswerden möchte. Es handelt sich dabei um eine Art Mini-Kompendium bzw. einen didaktischen Aufsatz. Er bewegt sich hauptsächlich im Bereich der theoretischen Psychologie und Philosophie.

Ich hoffe, der Aufsatz kommt nicht all zu blöd rüber. Später soll daraus ein allgemein gefasster Essay werden, doch zuvor sollte ich den Inhalt noch ein wenig untersuchen. Für den Essay soll dieser Aufsatz lediglich eine Grundlage sein.

Es wird die These vertreten, dass Wille und Mut die einzigen Voraussetzungen für größere Veränderungen sind. Und ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich so ist. Vielleicht übersehe ich ja was :-)

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Einleitung
Tritt der Wunsch ins Bewusstsein, etwas Wesentliches im Leben zu ändern, bleibt meist alles so wie es ist. Obwohl er intensiv wahrgenommen wird, so dass allein der Gedanke an ihn ein Gefühl der tiefen Zufriedenheit herbeiführt. Doch letztendlich passiert nichts. Der Wunsch bleibt unerfüllt, verflüchtigt sich allmählich und gerät in Vergessenheit, bis irgendwann mal ein neuer Wunsch entsteht, den möglicherweise dasselbe Schicksal ereilt.

Anders ist es jedoch bei kleinen Wünschen, die nur eine unwesentliche Änderung bewirken sollen, obwohl beim Gedanken an sie das Gefühl der Zufriedenheit fehlt oder nur in einem geringen und gewöhnlichen Maße vorhanden ist. Kleine Wünsche sind aber deshalb klein, weil die für die Verwirklichung aufzubringende Mühe verhältnismäßig gering ist, was zu einer häufigen Verwirklichung führt. Man kann also sagen, dass es von der aufzubringenden Mühe abhängt, ob ein Wunsch verwirklicht wird.

Geht man dieser Mühe auf den Grund, findet man einen für jeden Handlungsprozess notwendigen Willen. Zudem beinhaltet jede folgenschwere Entscheidung auch das Aufgeben von etwas, deshalb ist manchmal auch der persönliche Mut gefragt.

Ein nicht ganz gefestigter Wille und Angst sind die beiden Hauptursachen, dass sich im Leben meist nicht viel ändert. Alle anderen Hindernisse wie fehlende Motivation, Faulheit, Unentschlossenheit, Unsicherheit, mangelnde Disziplin, Lust- oder Mutlosigkeit lassen sich immer entweder auf einen fehlenden Willen oder die Angst etwas aufzugeben oder riskieren zurückführen bzw. mit ihnen gleichsetzen. Ein gefestigter Wille und Mut sind deshalb die Haupttriebfedern des menschlichen Handelns, da man ohne sie nicht handelt.

Wille
Der Volksmund lehrt "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.". Denn einen Willen kann es gar nicht geben, wenn für ihn kein, d.h. nicht mal ein theoretischer Weg existiert. Existiert kein Weg, spricht man von einem unerfüllbaren Wunsch oder einem ewigen Traum.

Man kann sich vieles wünschen: das unermessliche Reichtum, die Unsterblichkeit oder mit bloßer Gedankenkraft zu fliegen. Ist aber ein Wunsch nicht realisierbar, kann sich für ihn kein Wille bilden und es bleibt bei einem utopischen Wunsch. Von einem Willen kann man nur sprechen, wenn tatsächlich ein realistischer Weg zur Umsetzung dieses Willen existiert. Gibt es beispielsweise einen theoretischen Weg zur Unsterblichkeit, wird aus dem Wunsch auch ein Wille entstehen. Der Unterschied zwischen Wunsch und Wille besteht darin, dass der Wunsch den Weg außen vor lässt, aber zugleich den Willen bedingt, vorausgesetzt, dass ein Weg existiert. Der Wunsch ist der Antrieb des Willens, das Ziel, welches am Ende des Weges wartet und befriedigen soll. Deshalb wäre die Aussage des Volksmundes präziser durch "Wo ein Wunsch ist und wo ein Weg ist, ist auch ein Wille." ausgedrückt.

Das klingt einfacher als es ist: Der innere Zustand des Menschen ist zu komplex und variabel, dass man immer nur von einem konstanten Willen oder nur einem konstanten Wunsch ausgehen kann. Viel mehr überlagern sich im Bewusstsein verschiedene Wünsche und Willen. Viele Übergewichtige haben den Wunsch abzunehmen und entwickeln den entsprechenden Willen dazu. Da sie aber zugleich Wünsche haben, die dem Willen abzunehmen entgegenwirken, wie beispielsweise gut und viel zu Essen oder den Drang nach Süßem zu befriedigen, bilden sich diametrale Willen zum Willen abzunehmen. Viele Raucher haben den Wunsch und den tiefen Willen von dieser Sucht befreit zu werden, sie haben aber zugleich den Wunsch und den Willen zu rauchen.

Es herrscht im Bewusstsein ein unablässiger Wechsel der Dominanz verschiedener Wünsche und Willen. Manche treten nur vorübergehend auf wie die Lust nach einer schnellen Befriedigung. Manche sind langfristig, immer wiederkehrend und unbewusst ständig vorhanden, aber zum Zwecke anderer auch immer wieder vorübergehend verdrängt. Das Prinzip der Verdrängung ist hierbei entscheidend. Ein zu einem bestehendem Willen diametraler Wille kann nur dann verwirklicht werden, wenn der ursprüngliche Wille vorübergehend verdrängt wird. So verdrängt auch ein Raucher die Tatsache, dass das Rauchen ungesund ist und er deshalb aufhören möchte. Ein abnehmen Wollender verdrängt beim übertriebenen Essen oder unzureichender Bewegung, dass ihn dies von seinem Ziel, also seinem Wunsch entfernt. Beide lassen vorübergehend diametrale Wünsche und Begehren die Oberhand gewinnen.

Der Grund, warum Menschen selten Substantielles im Leben ändern, ist zweischichtig. Das Problem an schwerwiegenden Änderungen ist, dass sie meist viel Zeit in Anspruch nehmen. Je mehr sie das tun, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie durch entgegengesetzte Motive, die es aufgrund der radikal wechselnden Gemütsverfassung ohnehin immer gibt, gestört bzw. verdrängt werden. Und je mehr sie gestört bzw. verdrängt werden, um so seltener werden sie verwirklicht. Folglich kann es eine Änderung nur dann geben, wenn ein Wille so stark wird, dass er nicht mehr gestört oder nie ganz verdrängt wird.

Das Markante an einem besonders starken Willen ist, dass der Wunsch, der den Willen führt, ebenso viel intensiver im Bewusstsein ist und dadurch nicht mehr so schnell verdrängt werden kann. Sagt man dem Raucher, dass er, wenn er weiter raucht, nicht mehr lange leben wird, entwickelt sich schnell ein starker Wille mit dem Rauchen aufzuhören, der auch meist zum gewünschten Ergebnis führt. Der dafür zugrunde liegende Wunsch ist in seinem Ursprung nicht mehr vergleichbar mit "Rauchen ist ungesund, und wenn ich aufhöre, lebe ich gesünder.", sondern er setzt sich aus "Wenn ich weiter rauche, sterbe ich!" zusammen. Was eine völlig andere Situation ist.

Neben dem Weg, der begangen werden könnte, ist ein Wille notwendig, der diesen Weg begeht. Um nicht von diesem Weg abzukommen, darf kein entgegengesetztes Handlungsmotiv so stark werden, dass dieser Wille aus dem Bewusstsein verdrängt oder so relativiert wird, dass er plötzlich nicht mehr so wichtig erscheint und unterliegt. Ein nicht mehr abzudrängender Wille ist durch einen starken Wunsch geführt, ein realistisches, wenn auch langfristiges Ziel zu erreichen. Die einzige Möglichkeit zu so einem Wunsch zu gelangen, besteht darin, sich mit dem Wunsch intensiv auseinanderzusetzen, indem er samt all seiner grundlegenden Ideen explizit ins Bewusstsein gedrängt wird. Nur dadurch erreicht der Wunsch eine starke Präsenz, die nicht mehr so einfach zu verdrängen ist, und legt damit den Grundstein für einen starken Willen.

Die hier vorgebrachte These begründet ebenso, warum leichtgewichtige Dinge häufig umgesetzt werden. Leichtgewichtige oder Nicht-Substanzielle Änderungen haben gewöhnlich eine kürzere Umsetzungszeit, was zur Folge hat, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sie verdrängt oder aufgehoben werden, wesentlich niedriger ist. Neben der für die Umsetzung wesentlich kürzeren Zeit, ist meist die persönliche Überwindung hinsichtlich des benötigten Aufwandes oder einer denkbaren im Weg stehenden Angst ebenfalls geringer. Beides fördert die rege Verwirklichung kurzatmiger Begehren im positiven und ebenso im negativen Sinne.

Mut
Doch für das Handeln ist nicht allein ein konkreter Wille ausreichend. Abhängig davon, wie viel bei einem Handlungsprozess aufs Spiel gesetzt und wieviel Überwindung und Kraft verlangt wird, hängt es letzten Endes vom Mut bzw. dem Selbstvertrauen ab, ob es zum Handlungsprozess kommt. Ein Angestellter, der aus persönlichen Gründen den Arbeitsplatz wechseln möchte, hat oftmals nicht den Mut dazu, weil er sich vor den damit verbundenen Risiken fürchtet. Oftmals wird Hilfe aus purer Angst bzw. Selbstschutz untersagt, obwohl ein Wille zu helfen vorhanden ist. Ein gefährlicher Weg wird gemieden, obwohl er begangen werden möchte. Das Lampenfieber lähmt, strebt sich gegen den Willen auf, sich zu äußern. Die Angst vor dem Verzicht bzw. dem Aufgeben des Gewohnten hindert an so vielen Änderungen, wie z.B. dem Aufgeben einer Sucht oder einer unglücklichen Partnerschaft bzw. Freundschaft aus Angst vor Einsamkeit. Man setzt sich selbst unter Druck, in dem man ein Leben führt, welches einem tief widerstrebt, unfähig loszulassen und es aus eigener Kraft neu zu organisieren. Und dies lediglich aus Angst.

Angst gehört zu den entbehrlichsten Gefühlen des menschlichen Alltags überhaupt. Sie hat zweifellos ihre Berechtigung in der evolutionären Entwicklung erhalten, bewahrte uns vor unabsehbaren Gefahren und diente somit dem Überleben. Heutzutage verfügen wir aber über ein breites Wissen und ein tieferes Verständnis der Welt, was die Angst überflüssig machen sollte. Man braucht nicht von einem Feuer Angst zu haben, wenn von ihm keine unmittelbare Gefahr ausgeht. Man fürchtet sich auch nicht vor dem tiefen Wasser, wenn man schwimmen kann. Auch ein vorbeifahrendes Auto auf der Straße wird uns wohl nicht willkürlich überfahren, als braucht man sich davon auch nicht fürchten. Statt Angst zu haben, die oftmals irrational und lähmend ist und blind macht, wäre ein gesunder Respekt ausreichend, um gegenüber jeder Situation das nötige Maß an Vorsicht zu entwickeln. Denn vorsichtig zu sein heißt nicht Angst zu haben, aber auch nicht, sich selbst zu gefährden.

Natürlich lässt sich nicht jede Situation so abschätzen, dass keine Risiken übrig bleiben. Möchte jemand seinen Beruf wechseln bzw. gar eine Umschulung machen, muss er ggf. einen sicheren Arbeitsplatz dafür aufgeben. Alle Konsequenzen seiner Entscheidung sind nicht im Voraus zu erkennen, aber die damit verbundenen Risiken sind halbwegs abschätzbar, sodass auch hier eher nüchternes Kalkül und Selbstvertrauen nützlicher wären als Angst. Leider ist es aber oftmals so, dass Angst die Oberhand gewinnt und an derartigen Entscheidungen hindert, und wenn nicht, sie zumindest ein ständiger und lähmender Begleiter bleibt, der sicherlich mehr schadet als nützt.

Die Ursache der Angst ist das negative Denken, das i.d.R. einen sehr tiefen Ursprung hat, zumeist bis in die Kindheit. Im Allgemeinen handelt es sich beim Denken um einen bewussten Fluss von Eindrücken (Wahrnehmungen), Erinnerungen und Urteilen, was man zusammengefasst als Vorstellungen bezeichnen kann, die immer in irgendeiner Weise auf das eigene Ego gerichtet sind. Der Inhalt dieser Vorstellungen ist stark durch die persönliche Erfahrung geprägt. Je bedeutsamer eine Erfahrung war, desto größer ist ihr Einfluss auf das gegenwärtige Denken und somit auf das gesamte Bewusstsein. So stärken anerkannte Leistungen das Selbstwertgefühl nachhaltig, persönliche Misserfolge, Bloßstellungen und auf das vermeintliche Unvermögen zurückführende Verluste schwächen es dagegen.

Negative Gedanken ziehen konsequenterweise negative Gefühle nach sich, die wiederum weitere negative Gedanken heraufbeschwören. Übrig bleibt eine vollständige Lähmung bzw. die Unfähigkeit eine Situation wirklich klar zu sehen, was die Angst festigt oder sogar noch weiter verstärkt. Deshalb gilt es für diejenigen, die die Angst überwinden wollen, nicht sie zu bekämpfen, sondern das eigene Denken zu beobachten und allmählich zu verändern. Es kommt also vor allem darauf an, den Ursprung eines Gefühls im Denken zu erkennen. Denn ein tiefer Wunsch kann niemals verwirklicht werden, wenn das eigene Denken im Weg steht.
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