Ursprung der Erfüllung

Mysteriöse Erfahrungen, Weisheiten, Rätselhaftes.
Capablanca

Ursprung der Erfüllung

Beitrag von Capablanca »

Die Vorstellung der Erfüllung, die sich aus tief liegenden, zeitlosen Wünschen zusammensetzt, wird aus dem individuellen menschlichen Bewusstsein nahezu vollständig verdrängt – bis sie nur noch ein Trugbild ist. Die Befriedigung der unmittelbaren Bedürfnisse und die Bewältigung der Alltäglichkeit vermitteln meist ausreichende Zufriedenheit. Sie bilden eine effektive Ablenkung von allem, was das eigene Selbst im Wesentlichen ausmacht.

Doch genau in dieser Wesentlichkeit des Selbst, in dessen Zentrum, kann echte Erfüllung erfahren werden. Außerhalb ist der große Gedankenstrom, in dem geschickt die Erwartungen der Gesellschaft fließen und Entfremdung schaffen. Das ihr zugehörige Wollen ist kein Wollen des Selbst, sondern einer Vorstellung davon, die im Gedankenstrom getragen wird. Obwohl der Gedankenstrom durch ein Ego-behaftetes Bewusstsein fließt und dadurch seinen Impuls erhält, ist seine Quelle gänzlich in der Wirkung der Erfahrung und deshalb außerhalb davon. Alles, was Gedanke ist, ist eine Rekombination des Erfahrenen bzw. Erfahrbaren und beliebigen Vorstellungen, zu denen die menschliche Phantasie fähig ist (hypothetische oder bloß gedachte Erfahrung).

Der Gedankenstrom erfüllt das Bewusstsein in einer Intensität, dass das Selbst vollständig von ihm mitgerissen wird, in ihm aufgeht und sich vergisst. Das Selbst vergisst sich Selbst, es wird zum Gedankenstrom identisch. Willensfreiheit ist eine Illusion, denn ein Wille wird nicht vom Selbst geschaffen, sondern das Selbst nimmt den Willen lediglich wahr. Diese Wahrnehmung des Willens, dessen Ursprung in den Gedanken ist, wird als Freiheit empfunden.

Eine Freiheit, die auf Abwägungen beruht, deren Mechanismen und Kriterien außerhalb der Verantwortung des Selbst liegen, da das Selbst sie niemals geschaffen hat, sondern sich ihrer lediglich bedient, kann jedoch keine wirkliche Freiheit sein.

Das Wesentliche im Selbst wird nur erkannt, wenn das Selbst frei von der Gedankenempirie ist. Frei von Zwängen, Ängsten, Urteilen und Wünschen, die nicht dem wesentlichen, sondern einem von Gedanken entfremdeten Selbst gehören. Nur in einem Zustand, der frei von jeglichen Vorurteilen, festgefahrenen Bildnissen der Vergangenheit und den Erwartungen der Zukunft ist, kann die Welt so angeschaut werden, wie sie wirklich ist und es findet echte Kontemplation statt. Nur in diesem Zustand denkt und handelt das Selbst ungestört, aus sich selbst, und kann sich zu dem entfalten, was es im Kern ist.

Es lassen sich zwei Arten des Selbst unterscheiden: ein empirisches und ein ursprüngliches. Beide schaffen die Einzigartigkeit des Individuums. Zum empirischen Selbst gehört alles, was von außen kommt, und zum ursprünglichen alles, was von innen kommt. Dass das empirische Selbst existiert, ist leicht zu verstehen, da jeder Mensch seinem Werdegang gemäß handelt - er übt beispielsweise einen gelernten Beruf aus. Die Existenz des ursprünglichen, d.h. inneren, von der Erfahrung unabhängigen Selbst ist hingegen schwieriger nachzuweisen. Nimmt man seine Nicht-Existenz an, folgt, dass zwei verschiedene menschliche Wesen bei identischer Erfahrung identische Charaktere entwickeln und dass ähnliche Erfahrungen zu ähnlichen Charakteren führen. Da man aber sowohl bei Menschen mit ähnlicher Erziehung stark unterschiedliche Charaktere beobachten kann als auch mit sehr verschiedener sehr ähnliche, muss der Charakter aus etwas mitbegründet sein, was von der Erfahrung unabhängig ist. Die Grundstruktur des Selbst ist bereits im Körper, bevor der Körper sich ihrer bewusst wird. Deshalb ist jedes Neugeborene bereits individuell. Eines weint mehr, das andere lächelt mehr, ein drittes ist dafür sehr nachdenklich, obwohl es nach intellektuellen Maßstäben noch gar nicht denken kann. Es findet aber eine individuelle Informationsverarbeitung statt, die allmählich zur Zündung des Ich-Bewusstseins und des empirischen Selbst führt.

Die individuellen Talente sind im Gegensatz zu den gelernten Fertigkeiten nicht der Erfahrung zuzuschreiben, auch wenn sie durch die Erfahrung erkannt werden. Denn künstlerische, mathematische, technische und ebenso soziale Stärken gehören mehr zur Ursprünglichkeit eines Individuums als zu etwas, was man durch Übung erlernen kann. Es muss dafür die innere und ursprüngliche Empfänglichkeit vorliegen. Der Mensch lässt sich nur ungern zu etwas zwingen, was seinem Wesen widerspricht. Selbst die Art, wie aufgenommen, verarbeitet und gefolgert wird, ist gänzlich außerhalb der Erfahrung, wenn auch die Erfahrung die anerkannten Prinzipien und Grundsätze lehrt. Die Art und Weise der ganz individuellen Denkmuster wird jedoch früher oder später schlichtweg bewusst.

Die Quelle des empirischen Selbst ist wie bereits erwähnt die Erfahrung bzw. der persönliche Werdegang. Ungewissheit herrscht hingegen darüber, was die Quelle des ursprünglichen Selbst ist. Nimmt man an, dass alle Vorgänge im Universum deterministisch sind, ist ausnahmslos jedes Ereignis, d.h. jede Geburt, jedes Individuum und jede Handlung am Leitfaden der Naturgesetze vorherbestimmt. Zufall wäre bloß ein Modell, welches zwangsläufig entsteht, wenn Aussagen über ein System getroffen werden müssen, dessen Funktion und Parameter nicht vollständig bekannt sind. So wird beispielsweise die Wetterprognose solange eine mit einem Zufall behaftete Wahrscheinlichkeitsaussage bleiben, bis nicht alle Umwelteinflüsse erfasst und berücksichtigt werden können.

Für ein deterministisches Universum spricht die gesamte Anschauung. Alles, was mit bloßem Auge und reinem Geist beobachtet wird, ja selbst alles, was den eingangs erwähnten Gedankenstrom ausmacht, scheint eine Verkettung von Ereignissen zu sein, die nach dem Prinzip Ursache und Wirkung, genannt Kausalität, funktioniert. Die einzige Richtschnur wären die Naturgesetze, die in ihren vielfältigsten Formen zum Ausdruck kommen. Die Entstehung der Berge, der Flüsse, die Ausbreitung der Meere, Vererbungslinien beim Menschen sind Beispiele. In diesem Modell wäre das ursprüngliche Selbst im Ursprung des gesamten Seins. Mit gängigen Methoden der Naturwissenschaft ist aber der Ursprung des Seins nicht zu ergründen. Jede Aussage darüber ist bis zu einem gewissen Grad spekulativ und gehört in den Bereich der Metaphysik. Arthur Schopenhauer, der ein Determinist war, bezeichnete deshalb das ursprüngliche Selbst als den metaphysischen Charakter, da alle seine Eigenschaften nicht mit methodischer Naturwissenschaft zu bestimmen und deshalb dem empirischen Selbst unzugänglich sind. Die zahlreichen und vielfältigen Begründungen für diese Nicht-Bestimmbarkeit lieferte lange Zeit die theoretische Philosophie, derweil macht es die Kosmologie, und soll deshalb hier nicht weiter erörtert werden.

Es lässt sich sagen, dass im Determinismus alles ursprünglich ist, da selbst das empirische Selbst seinem Ursprung nach handelt. Der Unterschied der beiden Selbst existiert nur, wenn die Welt nicht ganzheitlich, sondern aus der Sicht eines Individuums betrachtet wird. Darin gibt es eine klare Unterscheidung zwischen dem, was durch Sinneswahrnehmung (Erfahrung) hinzukommt, und jener Ursprünglichkeit, die von der Erfahrung unabhängig ist. Aus der individuellen Sicht existiert und beginnt das empirische Selbst also mit der Erfahrung, insbesondere wenn diese anfängt bewusst zu werden und sich allmählich das Gefühl der Selbstbestimmungsfreiheit etabliert, auf das es im Individuum alleine ankommt.

Ein dem Determinismus entgegengesetztes Weltbild ist der Zufall bzw. der Nicht-Determinismus. Die Ereignismenge eines nicht-deterministischen Universums ist per Definition endlich, aber nicht jedes stattfindende Ereignis ist ursächlich vorherzusehen. Ein Beispiel für ein derartiges Weltmodell liefert die Quantentheorie, in der ambivalente bzw. multivalente Zustande möglich sind. Einer Weggabelung sich näherndes Fahrzeug kann beispielsweise in einem deterministischen Universum ursächlich nur einen Weg wählen, während in einem quantenmechanischen beide Wege begangen werden. Findet eine Beobachtung statt, die immer deterministisch ist, befindet sich das Fahrzeug auf einem der beiden Wege. Welche der beiden Wege aber eingeschlagen wird, kann nach gängigen Theorien nicht ermittelt werden, es besteht für beide Wege eine gewisse Wahrscheinlichkeit, was wieder den Zufall ins Spiel bringt.

Eine Schwierigkeit der Quantentheorie ist, dass bislang keine allgemeingültige formale Relation zwischen der Quantenwelt und dem klassischen Universum gefunden wurde und selbst zwischen einzelnen Quantensystemen so eine Relation häufig nicht bestimmbar ist. Viele Wissenschaftler glauben deshalb, dass so eine Relation nicht existiert. Doch auch wenn diese existieren und gefunden werden könnte, ändert das nichts an der Tatsache, dass das ursprüngliche Selbst jenseits der empirischen Erklärbarkeit ist, da ein Zufall nichts erklärt. Somit bleibt das ursprüngliche Selbst auch im Nicht-Determinismus metaphysisch.

Spirituelle und religiöse Theorien beschreiten einen anderen Weg, um die Welt zu erklären. Doch ob man nun von einem göttlichen Ursprung und den damit einhergehenden Modellen des Schicksals, der Seelenwanderung oder dem aus fernöstlichen Lehren bekannten Karma spricht, bei allen Erklärungsformen des menschlichen Handelns, die transzendente Ideen beinhalten, gibt es die Gemeinsamkeit, dass das ursprüngliche Selbst objektiv nicht greifbar und deshalb metaphysisch ist.

Erfüllung kann es nur geben, wenn das ursprüngliche Selbst erkannt, verwirklicht und damit das eigene Leben ganz angenommen wird. Dies ist allerdings ungeahnt häufig nicht der Fall: stattdessen lebt man das Leben eines Menschen, dass durch die Erwartungen anderer, sei es der Familie oder Freunde, der Kultur oder der Gesellschaft, und damit der eigenen Vorstellungen bestimmt ist. Gibt es einen Widerspruch zum ursprünglichen Selbst, d.h. zum ursprünglichen Wesen des Individuums, lebt man ein Leben ohne echtes Glück und man weiß nicht einmal warum. Denn alles würde so verlaufen, wie es verlaufen soll. Dieses "Soll" ist aber ein äußeres Dogma, das für den gewöhnlichen Menschen als solches vollkommen unerkannt bleibt.

Unabhängig davon welches Weltbild nun zutrifft oder ob überhaupt ein Weltbild dem entspricht, was Wirklichkeit tatsächlich ist, über eine Form der Freiheit verfügt der Mensch in jedem Fall: die Freiheit der Selbstbestimmung. In der Regel ist sie durch Einflüsse, die von Außen kommen, eingeschränkt, doch diese Einschränkung ist nicht gravierend. Nimmt man einen gewöhnlichen Menschen als Beispiel, einen, der nicht wegen einer Straftat eingesperrt oder sonst irgendwie oder durch irgendetwas stark gebunden ist, hat er prinzipiell die Möglichkeit im Rahmen gewisser Regeln und Gesetze alles zu tun. Die Regeln und Gesetze dienen dem Wohl der Allgemeinheit und stellen auf dem Weg zur Selbstbestimmung gewöhnlich kein Hindernis dar. Was aber ein Hindernis darstellt, ist die innere Haltung, die eigene Vorstellung von sich selbst, die wohl in den meisten Fällen nicht der ursprünglichen Wirklichkeit des Selbst entspricht, sonst gäbe es das gewaltige Ausmaß an Verdrängung nicht, die im Alltag angetroffen wird. Das ursprüngliche Selbst ist im besten Fall ein Schattengebilde, eine Silhouette im Bewusstsein, und der Rest ist anerzogener und an-erfahrener Handlungszwang, der auf einer ebenso an-erfahrenen und wertebehafteten Denkweise beruht. Die Selbstbestimmungsfreiheit besteht aber deshalb, weil der Mensch immer kurz innehalten kann, um sich dessen, wie er denkt und handelt, bewusst zu werden und es in Frage zu stellen. Er hat ferner die Möglichkeit, alles was ihn umgibt für einen Moment loszulassen, es also einen Augenblick lang losgelöst zu betrachten und sich die Frage zu stellen, wer oder was er ist. Entdeckt er dabei die Silhouette, sein ursprüngliches Wesen, und ein Defizit zum selben, kann er, wenn er will und den Mut dazu hat, diesem folgen. Das ist Selbstbestimmung, die abhängig vom Grade der Bindung an die empirische Vorstellung des Selbst entsprechend viel Kraft abverlangt. Es ist i.d.R. jedoch einfacher, diesen Gedanken zu vergessen oder zu verdrängen und sich von der gewöhnlichen Handlungsdoktrin treiben zu lassen.

Die Selbstbestimmungsfreiheit äußert sich in der Subjektivität durch das Gefühl einer allgemeinen Handlungsfreiheit, deshalb ist sie eine intersubjektive Wahrheit. Denn gleichwohl wie die objektive Wirklichkeit beschaffen ist, ändert es nichts an der Präsenz des Gefühls im Individuum, dass seine Entscheidungen selbst bestimmt sind, er also hauptsächlich die Ursache für seinen Lebensweg ist. Diese Erkenntnis impliziert ein Bewusstwerden der Freiheit genauso wie das Letztere das Erstere impliziert, was zusammen das bewusst freie Handeln ausmacht. Damit ist die Pforte zur Selbstbestimmung geöffnet.

Wenn man von Selbstbestimmung spricht, kann damit nicht eine indoktrinierte Bestimmung gemeint sein. Bei ihr ist der Wille nicht mehr frei, er wird stattdessen von einer äußeren Macht geleitet, die keine Rücksicht auf die Ursprünglichkeit jenes Wesens nimmt, über welches sie Besitz ergriffen hat. Es kann also hier zwischen einer unvollkommenen und einer vollkommenen Freiheit im Bewusstsein eines Individuums unterschieden werden. Die unvollkommene Freiheit liegt immer dann vor, wenn die Handlung durch das Befolgen von Anweisungen entsteht, die nicht aus der Ursprünglichkeit des handelnden Individuums kommen. Es gibt viele Dinge, aus denen solche Anweisungen entstehen können. Sie erstrecken sich über Glaubenssätze und Vorschriften aller Art bis über eigene Zwangsvorstellungen, die im Laufe des Lebens enstehen. Handelt aber das Individuum aus sich selbst und seinem Wesen nach, ohne einer Vorschrift oder einem Zwang ausgeliefert zu sein, handelt er vollkommen frei.

Es ist deshalb anzunehmen, dass ein Umbruch stattfinden muss, wenn die Freiheit nur unvollkommen ist und vollkommen werden soll. Dieser Umbruch muss allerdings eine Gewissheit mit sich bringen, die den Zweifel beseitigt, doch nicht wieder einem vom ursprünglichen Selbst entfremdeten Element zu folgen und damit einer weiteren inneren Verwirrung zu verfallen. Um vollkommen frei zu handeln, muss also eine vollkommene metaphysische Selbsterkenntnis stattfinden. Nur wenn das ursprüngliche, d.h. metaphysische Wesen erkannt wird, findet eine freie Selbstbestimmung statt und nicht die Bestimmung empirischer bzw. von außen und damit auch von innen entstehender Zwänge. Demzufolge besteht die Freiheit der Selbstbestimmung in der Freiheit der metaphysischen Selbsterkenntnis und ohne sie kann es keine echte Selbstbestimmung geben. Eine metaphysische Selbsterkenntnis kann jedoch kaum als ein Vorgang aufgefasst werden, bei dem es darum geht, ein erkennbares Objekt zu finden – es ist also kaum eine Suche. Eine Suche beinhaltet stets die Gefahr, auf etwas zu stoßen, was nur scheinbar ursprünglich ist, weil sie auf einem geistigen Akt beruht, der vollständig der Empirie zuzuschreiben ist und deshalb nur empirische Objekte gefunden werden können. Nicht aber empirische Objekte sind es, die es zu erkennen gilt, viel mehr kommt es auf die Loslösung von ihnen an, um zum Fundament zu gelangen, von welchem aber Folgerungen auf künftige Erfahrung gemacht werden dürfen. Der Unterschied besteht darin, dass bei einer Loslösung zumindest kurzzeitig ein Zustand erreicht wird, der vollkommen frei von Indoktrination und vollkommen leer ist, und aus ihm das Leben neu begonnen werden kann, während mit einer Suche das Leben lediglich ab einer bestimmten Erfahrung, die zuvor gefunden wurde, weitergeht. Da diese Erfahrung nicht unbedingt dem metaphysischen Selbst entsprechen muss, gibt es auch keine Sicherheit, dass ihm gefolgt wird und somit Erfüllung gefunden werden kann.

Es ist jedoch zweifellos keine einfache Angelegenheit, zu sich selbst zu finden. Die Indoktrination, die sich ein Leben lang festigt, und die mit ihr einhergehenden und meist unbewussten inneren Zwänge immer nach der eigenen Anerkennung, dem persönlichen Besitz und Macht zu streben, sitzen zu fest, als dass es reichen würde, sich kurz zu besinnen, um sich dessen, was man denkt und tut, vollständig bewusst zu werden, und dadurch irgendetwas aufzulösen, was die Erfahrung betrifft. Wie schwierig die Aufhebung oder Relativierung der Erfahrung ist, sieht man am Beispiel des Gewohnten. Das Gewohnte gehört zur Menge der Erfahrungen und bereits die Aufhebung einzelner Gewohnheiten scheint oftmals sehr schwierig zu sein. Das Sprichtwort "Der Mensch ist ein Gewohnheitstier!" kommt daher keineswegs von ungefähr, sondern er hat eine nachvollziehbare Grundlage. Ein Gewohnheitstier ist er nicht nur im Handeln, sondern auch - oder insbesondere - im Denken, da das Handeln nur eine Teilmenge des Denkens ist. Er denkt über sich selbst, über andere, über Zusammenhänge der Natur und der Menschen, und vieles davon ist der Art nach Gewohnheit. Es treten zwar unablässig scheinbar neue Inhalte auf, doch in Wahrheit dreht er sich ständig im Kreis. Diese strukturell und inhaltlich immer wiederkehrenden Gedanken sind Gewohnheiten. Und alles, was zur Menge der Gewohnheiten gehört, ist Empirie, d.h. empirisches Selbst. Die Aufhebung des Gewohnten käme deshalb der Aufhebung des empirischen Selbst gleich.

Da bereits das Aufgeben einer Gewohnheit viel Kraft abverlangt, ist das Aufgeben aller Gewohnheiten praktisch unmöglich. Doch nicht das Aufgeben der Gewohnheiten ist es, auf was es auf dem Weg der Selbstfindung ankommt, auch wenn gerade dieser Eindruck erweckt worden ist. Es ist viel mehr ein bewusst werden der Mechanik gemeint, aus der das Gewohnte entspringt, seine Wirkung und langfristige Konsequenz entfaltet, sodass eine gewisse Unabhängigkeit bzw. Losgelöstheit dazu errichtet werden kann. Wenn man etwas dem Wesen nach verstanden hat, ändert sich nicht das grundlegende Erscheinungsbild, sondern nur die Sichtweise. So wird die Angst vor etwas überwunden, in dem ihr tiefstes Motiv verstanden wurde und nicht in dem der äußere Gegenstand, der die Angst scheinbar verursacht hat, an sich aufgehoben wurde. Aufgehoben wird stets die Sichtweise, die zur Angst geführt hat. Zu sich selbst zu finden heißt daher in erster Linie sich selbst zu verstehen - das Mysterium des eigenen Denkens und Fühlens zu ergründen.

Allerdings liegt genau hier die Schwierigkeit: Das Mysterium des eigenen Denkens und Fühlens zu ergründen setzt einen Zugang zu sich selbst voraus, über den der Mensch gewöhnlich gar nicht verfügt. Viel mehr bleibt er sich selbst versperrt, auch wenn er ahnt, dass genau dieser innere Riegel die Ursache für all sein Leid ist. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass in der Vergangenheit allerlei Methoden und Wege ausgelotet wurden, um diesen Zugang zu begünstigen. Die Spannbreite geht von religiösen bzw. geistlichen Pilgerfahrten, bei denen das gewohnte Umfeld komplett aufgegeben und in ein fernes Land gereist wird, um dort in einer gewissen Abgeschiedenheit am Existenzminimum zu leben, getrieben von der Hoffnung, dass durch die Loslösung aller gewohnten Umstände des Alltags und die angestrebte und zumeist erreichte innere Ruhe und Harmonie gewisse Einblicke in das eigene Selbst ermöglicht werden. Deshalb wurden solche Unterfangen insbesondere in der Hippie-Bewegung der 60er und 70er Jahre als Selbstfindungsreisen bezeichnet. Wie viele Reisende sich selbst dadurch gefunden haben, sei dahingestellt, fest steht, dass es zahlreiche derartiger Bestreben gegeben hat und auch heute immer noch gibt. Oftmals kommen dabei Hilfsmittel wie bewusstseinserweiternde Substanzen ins Spiel, deren spirituell angeregter Gebrauch bis in die Antike zurückverfolgt wird. Eine Kombination mit spirituellen Praktiken wie dem Gebet, der Meditation, dem Tanz, Yoga, Askese und ähnlichen Arten der Selbstbesinnung war und ist diesbezüglich sehr verbreitet. Doch auch die Entwicklungspsychologie beschreibt den Vorgang der Selbstfindung als einen Prozess, in dem tiefe Eigenheiten eines jeden Individuums erkannt und somit wichtige Fragen wie "Wer oder was bin ich?" und "Wie will ich in meinem Leben und dieser Welt sein?" beantwortet werden. Sie beschreibt dies als einen natürlichen Vorgang, der im Laufe eines jeden gesunden Menschenlebens früher oder später, jedoch gewöhnlich in der Pubertät stattfindet. Wenn es mal nicht erwartungsgemäß läuft, lässt sich auf eine Reihe psychologischer Hilfsmittel zurückgreifen, um eine Selbstfindung zu begünstigen bzw. nachzuholen. Ein derartiges Mittel ist die Psychoanalyse, insbesondere die humanistische Psychoanalyse als ein Teil der humanistischen Psychologie, die das geistige Potential des Menschen hoch schätzt und deren Ziel es ist, seine Selbstverwirklichung zu ermöglichen. Denn die Annahme ist nicht weit hergeholt, dass nur ein selbstverwirklichter Mensch ganz und gar erfüllt ist.
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nexus
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Re: Ursprung der Erfüllung

Beitrag von nexus »



Du dänksch chli zvill =) odr neui wüseschafter brucht s'land :o
ich glaub nur wer göttlichi liebi kennt chan ganz erfüllt si und isch nur so fähig glück au würkli teile chöne.
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Re: Ursprung der Erfüllung

Beitrag von Fallen Angel 3 »

Wow das ist echt mal wieder eine Perle in diesem Forum. Cool.

Irgendwie habe ich mich im Verlauf des Lesens gefragt, was mich, uns, die Menschheit oder die Gesellschaft eigentlich dazu bringt, sich diesen Riegel vorzuschieben. Es wäre doch viel logischer, schöner, freier, besser wenn man sich auf diesen Selbstfindungs"trip" begibt, und da dran bleibt, bis man sich selbst verwirklicht hat? Warum ist es dann so unglaublich schwer? Warum erscheint es mir geradezu unmöglich? Muss man der Typ dazu sein oder hat wirklich jeder Mensch diese Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen?

Ich glaube, warum man sich irgendwann von diesem Weg abwendet, sofern man ihn überhaupt je beschreitet, liegt an der Verzweiflung. Irgendwann gibt man auf. Meist schon recht früh, je nach dem in welchen Umständen man aufwächst. Wie es in der Schule läuft. Später: wie es mit dem anderen Geschlecht läuft. Wie es im Berufsleben läuft.

Die Gesellschaft ist nicht unbedingt der ideale Platz, um Mut zu finden, diesen Weg zu gehen, denn alles in ihr ist einzig darauf ausgerichtet, möglichst wenig Individualität zuzulassen. Dies führt zu einer Spirale, in der man sich wahlweise als Opfer sieht, dann wieder als Täter. Als Verbrecher an sich selbst - dann aber wieder als derjenige, der gar keine Wahl hat.

Oftmals stimmt es vermutlich, dass das äussere Dogma einfach stärker ist. Geld, Beziehungen, Familie, können befreien, können aber auch gefangen nehmen.

So langsam glaube ich nicht mehr daran, dass es jedem Menschen möglich ist. Manche sind stark, sind allenfalls Vorbilder oder zumindest kann man sie "anhimmeln" und bewundern. Aber selbst auszubrechen, sein von Wünsche, Ängsten, Vorurteilen und so weiter geprägtes Denken und Handeln aus dem selbstgefangenen Käfig zu befreien ist... nicht allen Menschen gegeben.

Wenn ich so über diesen Text nachdenke, der unglaublich gut und weise ist, so werde ich müde - eine Müdigkeit, die mich des öfteren überkommt, wenn ich über Philosophische, Esoterische, Religiöse oder sonstige geistige Konzepte nachdenke, die ganz offensichtlich der richtige Weg wären. Oder zumindest richtiger.

Weil ich weiss, dass ich ihn nicht gehen kann. Und das macht mich ...unzufrieden.. und das ist wohl der Grund warum - nicht nur ich, sondern die ganze Welt - hauptsächlich aus Menschen besteht, die aufgegeben haben, und versuchen innerhalb der Dogmas einigermassen über die Runden zu kommen. Wie bei einem niemals endenden ultralangweiligen Monopolyspiel... es ist einfacher, VIEL (!) einfacher... es tut irgendwie weh, seelisch und auch körperlich (so in der Bauchgegend) daran zu denken, was man allenfalls sein könnte, oder versucht hätte, wenn man nicht so feige wäre... nicht so schwach... es ist nicht schön, diesen Schmerz auszuhalten, daher ist es einfacher, sich einfach zu fügen. Lieber unglücklich sein, als sich einzugestehen, dass man bei der Selbstfindung versagt hat.

Aber zumindest kann ich (noch?) die Menschen sehen, die sagen wir mal "ausgebrochen" sind aus diesem Rad der Verzweiflung, und die es - wie auch immer - geschafft haben, diesen Mut zu finden, sich selbst zu sein, das wahre Selbst. Ich bin froh gibt es diese Leute, auch wenn ich schon lange keiner von ihnen mehr bin. Weil sie wichtig sind. Ich weiss nicht für was oder aus welchem Grund, aber ich bin ziemlich fest davon überzeugt, dass sie es sind.

naja for what it's worth: Danke dass es euch gibt. O:)
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nexus
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Re: Ursprung der Erfüllung

Beitrag von nexus »

Die Gesellschaft ist nicht unbedingt der ideale Platz, um Mut zu finden, diesen Weg zu gehen, denn alles in ihr ist einzig darauf ausgerichtet, möglichst wenig Individualität zuzulassen. Dies führt zu einer Spirale, in der man sich wahlweise als Opfer sieht, dann wieder als Täter. Als Verbrecher an sich selbst - dann aber wieder als derjenige, der gar keine Wahl hat. ??????????????

wie heissts doch; es isch keis zeiche vo xundheit, sich anre grunduf schlechte gsellschaft ahpasse z'chöne..

chömet doch zude gruppe peace uf facebook. die isch na "sinnvoll" ;)
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Re: Ursprung der Erfüllung

Beitrag von BuddhaNature »

Nahrhaftiges was du hier so postest. Hat mich von der Länge bis dato ferngehalten ;)
Ist aber interessant =D> , und trotz Erkältung im Moment und morgen früh aufstehen, hats mich dazu bewegt Gedanken zu machen.
Hab's nur grob durchlesen, vielleicht werd ich's mal besser zu ergründen versuchen.

Ob Determinismus oder Indeterminismus ist eine schwierige Frage. Zweites Modell ist sicherlich neuer aufgrund neuster Erkenntnissen der Quantenphysiker.

Wenn Determinismus ein Weltbild sein sollte, muss man auch beachten, dass uns längst nicht alle Faktoren bekannt sind. Nun ist es schwierig hier ein Kausalitätsprinzip zu beweisen, wenn uns nicht mal alle Ursachen bekannt sind.

Auch die Existenz vom Selbst ist lediglich eine Annahme. Beispielsweise verneint der Buddhismus das Selbst, hier spricht man vom der Wahren Natur seines Seins oder auch Buddhanatur, welches jedes Lebewesen innehält. Im Vipassana betrachtet man drei Daseinsmerkmale (Vergänglichkeit, Leid, kein getrenntes ich).
Auch glaubt man dortig nicht an den absoluten Determinismus und auch nicht an den absoluten freien Willen.

Ich denke auch die "Selbst"Erkenntnis führt zur Erfüllung. Und wie Du sagst wird Zweifel (unter anderen Hindernissen wie Unruhe, Müdigkeit, Gier, Wut) mehrmalig auftauchen. Doch wird sich auch Vertrauen einstellen, dass man auf dem richtigen Weg ist.

Denke Bewusstsein ist das effektivste Werkzeug auf dem Weg. Ob dies bewusstseinserweiternde Drogen begünstigen, vermag ich aufgrund meiner Unerfahrenheit damit nicht zu beurteilen. Doch vermute ich so "einfach" ist der Weg nicht. Und bevor man die Erfüllung finden mag, muss man gar den Weg dazu loslassen.
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( (( {-_{-_-}_-} )) )
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Re: Ursprung der Erfüllung

Beitrag von ( (( {-_{-_-}_-} )) ) »

klasse text. danke! : ) einmal mehr zeigst du deine scharfsinnigkeit.

hab ihn noch gar nicht intensiv genug durchgelesen um mir ein letztendliches bild davon machen zu können. nur möhte ich noch auf etwas hinweisen, was wir schon einige male diskutiert haben.
Obwohl der Gedankenstrom durch ein Ego-behaftetes Bewusstsein fließt und dadurch seinen Impuls erhält, ist seine Quelle gänzlich in der Wirkung der Erfahrung und deshalb außerhalb davon. Alles, was Gedanke ist, ist eine Rekombination des Erfahrenen bzw. Erfahrbaren und beliebigen Vorstellungen, zu denen die menschliche Phantasie fähig ist (hypothetische oder bloß gedachte Erfahrung).
dieser annahme würde eigentlich jeder wissenschaftlich orientierte mensch sofort zustimmen. was aber, wenn genau da eine fehlannahme vorliegt? mich würde brennend interessieren, was du dazu sagen würdest, wenn du dich einmal mit rudolf steiner befassen würdest. ich kann dir die zwei bücher empfehlen:
1. wahrheit und wissenschaft.
2. die philosophie der freiheit.

ich glaube sogar, dass das genau der richtige stoff für dich sein könnte und es wird dich auch herausfordern. hier ist gedankenkraft in geballter form notwendig :wink:
als kleiner vorgeschmack ein einleitendes zitat:

"Sollen wir an dem Denken ein Mittel gewinnen, tiefer in die Welt einzudringen, dann muss es selbst zur Erfahrung werden. Wir müssen das Denken innerhalb der Erfahrungstatsachen selbst als eine solche aufsuchen."
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nexus
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Re: Ursprung der Erfüllung

Beitrag von nexus »

was lsd bewirkt ist eine reduktion der intellektuellen kräfte zugunsten eines emotionalen erfahrens der welt. man vergisst sich selbst und wird erfüllt von anderen dimensionen des seins, den geistigen dimensionen, die nur mit dem herz wahrnembaren dimensionen. (Albert Hofmann)

die eine verschrecked zfescht die säbe ändrets zfescht anderi gnüssets eifach =)
mich nähmts na wunder was ihr untr erfüllig übrhaupt verstönd, s'muss ja es gfühl debi si wo eim füllt sälbr erfülle chamer sich doch nöd... isches wennt di eifach en gedanke so happy macht dass freudetränli chömet? isches en glaube zueversicht dass eusi seele unsterblich sind? isches wennt kompliment bestätigung bechunsch? isches wennt s'passend gegestück gfunde häsch zum teile? die par sekunde bim orgasmus?
naja phantasie isch wichtiger als wüsse /grim
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BuddhaNature
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Re: Ursprung der Erfüllung

Beitrag von BuddhaNature »

nexus hat geschrieben:mich nähmts na wunder was ihr untr erfüllig übrhaupt verstönd
... wenn Du morgens erfährst dass Dir fristlos der Job gekündigt wird, und der Ausstehende Lohn und Ferienguthaben nicht mehr ausbezahlt werden können -> Du dann sagst... wow cool endlich hab ich wieder mehr Zeit für anderes, und brauch nicht mehr zu arbeiten. /happy

... dann nach Hause fährst mit Deinem fast neuen Auto, und auf der eisigen Fahrbahn in schleudern kommst und Dein unversichertes Auto gegen eine Verkehrsampel totalschrottest -> Du dann aussteigst und sichtlich erfreut und dankbar bist dass Du noch lebst. /happy

... dann etwas ermüdet nach Hause kommst und grad siehst wie Dein Haus am runterbrennen ist -> Dich dann davor stellst und die kalten Hände reibst am Feuer und sagst, mhh so schön warm hier, und endlich habe ich eine freie Sicht in den Himmel im Haus drin. /happy

In so etwa als Beispiel, oder auf den Punkt gebracht -> Bedingungslose Liebe
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Fallen Angel 3
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Re: Ursprung der Erfüllung

Beitrag von Fallen Angel 3 »

@Buddhanature
Bedingungslose Liebe? was hat das jetzt damit zu tun?
:-k Was Du beschreibst klingt nach krampfhaftem Zweckoptimismus: auf Teufel komm raus alles positiv sehen, selbst wenn die Kacke bereits am Dampfen ist. Ich würde ja nicht so böse darauf antworten, wenn Du es anders formulierst, also zum Beispiel, dass Du dadurch, dass Du Leid erfährst und aus dem Konzept gebracht wirst, auf neue Gedanken kommen wirst, und Dinge neu betrachtest: dass der Job womöglich das Falsche war, dass Autos bescheuert sind und dass ein Haus eine enorme Bindung an einen Ort bedeutet, und Du anschliessend - dank des Leids, der Dunkelheit und der Zerstörung dieser Dinge - letztlich Freier (oder mehr Du selbst) wirst, dann wären wir der gleichen Ansicht und ich vermute zumindest, dass Du das eigentlich auch so gemeint hast, und es nur noch etwas übertrieben positiv formuliert hast, weil Du so ein lebensbejahender Mensch bist. Darfs ja auch geben. ^^

@Nexus
Erfüllung? naja im Sinne dieses Threads ist es:
Das tun was man ist.
Das sagen was man ist.
Das sein was man ist.
Um das jedoch überhaupt bewerkstelligen zu können (was viel schwieriger ist, als es klingt), müsste man erstmal wissen wie man ist - und/oder wenn man dann zum Beispiel rausfindet, dass man ein mürrischer Gnom ist, dann wäre das natürlich zu akzeptieren, bzw. es stellt sich die Frage, ob man so etwas überhaupt rausfinden will. Wer als erster in den märchenhaften Spiegel der Selbsterkenntnis blicken möchte, trete bitte vor... - und was wäre denn die Erfüllung für so einen Gnom? Was ist die Erfüllung all dieser "Herren" der Welt, die nichts anderes im Sinn zu haben scheinen, als diese Welt zu zerstören und die Menschen zu versklaven? Die haben ihre Erfüllung offenbar gefunden, oder sie machen sich nur was vor. Meine Erfüllung wäre eine Welt in der es solche Leute nicht gibt, und jeder der versucht so zu sein, vom Blitz erschlagen wird, aber ein glück bin ich kein Gott... Erfüllung kann es für mich in diesem Leben nicht geben, solange das Äussere viel zu weit davon entfernt ist, was es sein könnte, dass ich den Sinn nicht sehe, das zu sein, was ich sein könnte, weil es a) gar nicht möglich und b) sowieso sinnlos wäre, angesichts dessen, dass das Äussere (Gesellschaft, Herrscher etc.) einfach nur dumm und schlecht ist. Warum soll ich mich ändern und "besser" werden, wenn ich in einigen Jahrzehnten abnipple und das einzige was ich zur Veränderung dieser Welt beigetragen habe, wird sein, dass ich mich drüber aufgeregt habe? Also scheiss drauff, kann ich auch "mitlaufen" und die Selbstfindung an den Nagel hängen - glücklich und erfüllt bin ich so oder so nicht. Das Opportunistische ist nur einfach sehr viel leichter zu erlangen.
Das was wir brauchen, das was wir geben - das sind wir.
u.s.l.

Re: Ursprung der Erfüllung

Beitrag von u.s.l. »

also...manchmal ist alp oder einsame insel nicht das verkehrteste, was man tun könnte. obwohl, selbst da ist man vielleicht froh, wenn man sich den arsch mit wc-papier putzen kann, an dem irgendein egoistischer konzernchef verdient. ich lass die erfüllung einfach links sein, weil mit renne ich einem idealbild von mir hinterher, dem ich nie wirklich endgültig gerecht werden könnte. deshalb bin ich einfach. und auch froh, dass ich kein haus besitze. und froh, kein kleinkarrierter volvo-fahrer zu sein. oder einer dieser ahnungslosen internet 2.0 denunzianten. 8)

ausserdem sind mir leute sympathischer, die einfach auch mal sein können. ohne etwas sein zu müssen. oder etwas vorzuspielen.
Capablanca

Re: Ursprung der Erfüllung

Beitrag von Capablanca »

Danke FA3 für deine Erklärung - ich denke, so war das in etwa gemeint. Ich glaube, man sollte die Erfüllung nicht überbewerten, die meisten von uns werden wohl bis zu einem gewissen Grad erfüllt sein, die einen mehr, die anderen weniger, je nach Lebenssituation bzw. Phase. Das Leben ist nicht immer gleich, es ist so wechselhaft wie das Wetter. Die Vorstellung der Erfüllung hat nichts mit materiellem Besitz oder quantifizierbaren Werten zu tun. Eher mit dem wie es u.s.l. sagt "einfach zu sein" .... vielleicht noch hinzugefügt: "einfach sein wie man wirklich ist" - und dazu ist eher Mut zum aus-sich-herausbrechen oder zu-sich-zu-stehen als z.B. Angst (die eher im Getrieben-sein der Erwartungen anderer mündet) gefragt.

Danke Manu für die Buchtipps (werde sie mir bei Gelegenheit anschauen)
Fallen Angel 3
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Re: Ursprung der Erfüllung

Beitrag von Fallen Angel 3 »

@u.s.l.
usserdem sind mir leute sympathischer, die einfach auch mal sein können. ohne etwas sein zu müssen. oder etwas vorzuspielen.
Ja. Eben. Das ist genau das was ich meine. Das ist ...beindruckend.. und irgendwie schwierig zu erlangen.

@Capa
Eher mit dem wie es u.s.l. sagt "einfach zu sein" .... vielleicht noch hinzugefügt: "einfach sein wie man wirklich ist"
hm, ja aber ist es nicht gerade der Unterschied, zwischen diesen beiden Sätzen, der einen aus dem einfach sein herausreisst, weil man "meint" dass man etwas anderes sein müsste, als das was man halt ist? hmm.. naja was weiss ich..
Das was wir brauchen, das was wir geben - das sind wir.
Capablanca

Re: Ursprung der Erfüllung

Beitrag von Capablanca »

Fallen Angel 3 hat geschrieben:hm, ja aber ist es nicht gerade der Unterschied, zwischen diesen beiden Sätzen, der einen aus dem einfach sein herausreisst, weil man "meint" dass man etwas anderes sein müsste, als das was man halt ist? hmm.. naja was weiss ich..
ich denke die Auskunft darüber ob man etwas anderes sein könnte/müsste/sollte als man ist gibt allein das subjektive Wohlbefinden. Fühlt man sich wirklich glücklich oder meint man nur, sich glücklich fühlen zu müssen, weil man in das Bild eines Menschen passt, der sich in der Situation glücklich fühlen muss. Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten.

Erfüllung kann man mit der Annahme und Liebe seines Lebens gleichsetzen. Es lässt sich nicht ein Moment oder ein Gegenstand festhalten, es ist einfach ein Gesamtzustand. Und es bedeutet nicht, dass es keine Tiefpunkte gibt, denn Tiefpunkte gehören auch zu einem erfüllten Leben dazu.

Wenn aber jemand etwas, was er ist oder tut, zutiefst ablehnt und nur aus einer Not heraus handelt (z.B. eine ihm tief widersprechende Rolle spielt bzw. sich ständig einem inneren oder äußeren Zwang aussetzt, den er zutiefst ablehnt), wird er tendenziell den Zustand der Erfüllung nicht leben, auch wenn er ebenso in diesem Fall "nur sein" könnte. Es liegt dann an ihm, ob und was er daraus macht.
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BuddhaNature
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Re: Ursprung der Erfüllung

Beitrag von BuddhaNature »

ohh so viel Widerstand.

Nominier mich hiermit gleich für den Thronfolger des "wer ist der nervigste user 2010" ...
Fallen Angel 3 hat geschrieben:@Buddhanature
Bedingungslose Liebe? was hat das jetzt damit zu tun?
:-k Was Du beschreibst klingt nach krampfhaftem Zweckoptimismus: auf Teufel komm raus alles positiv sehen
Ich sprach genau vom Gegenteil der Krampfhaftigkeit, des Schönredens, des alles ist Blumig...
ich sprach von der bedingungslosen Liebe zu allem. So stelle ich mir die Erfüllung vor, oder auch die Erleuchtung oder wie auch immer man es nennen möchte.
Fallen Angel 3 hat geschrieben:...und ich vermute zumindest, dass Du das eigentlich auch so gemeint hast, und es nur noch etwas übertrieben positiv formuliert hast, weil Du so ein lebensbejahender Mensch bist. Darfs ja auch geben. ^^
Hast Du leider falsch vermutet. Und wie willst Du wissen ob ich ein lebensbejahnder Mensch bist? Kennst Du meine Probleme? Meine Ängste? oder heisst dies jetzt weil ich mir die Erfüllung so vorstelle auch das ich erfüllt bin? -> zu Deiner Beruhigung... ich befinde mich sehr, sehr weit davon entfernt. Doch hatte ich das Glück, Menschen zu sehen, die der bedingungslosen Liebe sehr nah sind. Und ich hab meinen Weg gefunden, mein Leid zu reduzieren.
Natürlich sind obig genannten Beispiele überspitzt, doch denke ich sind sie realistisch für jemand der vollends Erfüllt ist.
Fallen Angel 3 hat geschrieben:@Nexus
Erfüllung? naja im Sinne dieses Threads ist es:
Das tun was man ist.
Das sagen was man ist.
Das sein was man ist.
Wer bist Du?
Weisst Du wirklich wer Du bist?
Erkennst Du dich bedingungslos?

Wenn Du dies mit Ja beantwortest, dann wärst Du bereit, wenn ich mit einer Sperrlanze gegen Dich renne würde, ohne eine Angst oder Regung, ohne irgendein Zucken dies einfach furchtlos zu nehmen wie es ist.
u.s.l. hat geschrieben: ich lass die erfüllung einfach links sein, weil mit renne ich einem idealbild von mir hinterher, dem ich nie wirklich endgültig gerecht werden könnte.
Ich interpretierte die Frage als was ist Erfüllung und nicht ob man danach suchen sollte.
u.s.l. hat geschrieben:ausserdem sind mir leute sympathischer, die einfach auch mal sein können. ohne etwas sein zu müssen. oder etwas vorzuspielen.
Diese Leute hab ich auch gern. Und wenn Du diese als Erfüllt bezeichnest... dann bin ich froh viele Erleuchtete um mich herum zu kennen.
u.s.l. hat geschrieben:ohne etwas sein zu müssen. oder etwas vorzuspielen.
Das wiederum finde ich Anmassend oder gar narzistisch. Woher wissen wir denn wie die wirklich sind? Wenn wir nicht mal erkennen wer wir selber sind?
Capablanca hat geschrieben:Das Leben ist nicht immer gleich, es ist so wechselhaft wie das Wetter. Die Vorstellung der Erfüllung hat nichts mit materiellem Besitz oder quantifizierbaren Werten zu tun.
Schön gesagt =D>
Capablanca hat geschrieben:vielleicht noch hinzugefügt: "einfach sein wie man wirklich ist" - und dazu ist eher Mut zum aus-sich-herausbrechen oder zu-sich-zu-stehen als z.B. Angst (die eher im Getrieben-sein der Erwartungen anderer mündet) gefragt.
Wow, toll, dann sind ja die Mörder, Straftäter usw. alle schön fein raus. Ja sie haben sich ausgelebt. Erfüllung gefunden in ihren Taten. Einfach mal alles schön auskotzen und so sein wie man "wirklich" ist.

Ich glaub ihr habt mich eh nicht verstanden was ich ursprünglich mit der bedingungslosen Liebe meinte. Hat doch nix mit dem Materialismus zu tun.
GEH DEN WEG DES HERZENS

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