Ich möchte euch am Prozess teilhaben lassen, den ich in letzter Zeit durchgemacht habe. Er führte zu folgendem Brief, den ich heute an diverse Kirchliche Adressen geschickt habe.
Ich mache mir keine grossen Hoffnungen über die Auswirkungen des Briefes, doch es war mir sehr wichtig, mich auszudrücken, und mit meinem "Abgang" wenigstens ein kleines Zeichen zu setzen.
An:
Pfarrei St. Leodegar im Hof, Luzern
Zur Kenntnis:
Pfarramt St. Nimmerlein Emmen*
Katholische Kirchgemeinde Luzern
Römisch-katholische Landeskirche des Kantons Luzern
Bischöfliches Ordinariat / Evêché, Basel
Luzern, 24.09.2013
Austritt aus der römisch-katholischen Kirche
Sehr geehrte Damen und Herren
Der heutige Tag markiert einen wichtigen Meilenstein in meinem Leben. Heute habe ich mich endgültig entschieden, aus der Kirche auszutreten.
Diese schriftliche Begründung meines Austritts liegt mir sehr am Herzen. Es ist mir essenziell wichtig, dass Sie verstehen, weshalb ich diesen Schritt tue. Nehmen Sie sich Zeit diesen Brief zu Ende zu lesen.
Ich fange bei mir an. Mein Name ist Jim Knopf*. Ich bin 25 Jahre alt, Informatiker, und werde demnächst ein Studium beginnen. Ich war als Kind Ministrant in der Kirche St. Nimmerlein Emmen*, ich bin sogar Minichef gewesen, inklusive Romreise. Ich war auch in der Jungwacht St. Nimmerlein Emmen*, als begeisterter Jungwächtler, später auch Gruppenleiter und zum Schluss in der Scharleitung. Ich habe mich auch mit anderen Religionen und Lebensphilosophien beschäftigt und meditiert.
Heute singe ich noch im Chor Sowieso* der Peterskirche Ebikon*.
Mit diesem Résumé möchte ich zeigen, dass ich ein Mensch bin, der sich in seinem Leben schon intensiv mit Glauben, mit Spiritualität und mit der Kirche als Institution auseinandergesetzt hat.
Was ist denn nun der Grund für meinen Kirchenaustritt? Es beginnt mit der Bibel, und dies ist auch der zentralste Grund, warum ich für diese Institution keine Chance mehr sehe. Die Texte der Bibel wurden seinerzeit so gewählt und gedeutet, dass damit auf die Gläubigen die grösstmögliche Macht ausgeübt werden konnte.
Man erfand den Stand des Klerus und setzte ihn auf eine Stufe über den Stand der übrigen Menschen. Man zwang alle Menschen, dies anzuerkennen, mit Verfolgung und Tod als Alternative.
Neben der generellen Machtausübung hatte die einseitige Wahl der Bibeltexte zum Ziel, die wichtigste und göttlichste natürliche Kraft, die Sexualität zu verteufeln. Dies ging Hand in Hand mit der Diskriminierung des Weiblichen durch das Patriarchat. Hanebüchene Erklärungen, wie der Mensch zu seiner „Erbschuld“ kommen soll, und wie die Geburt durch eine Frau etwas schmutziges sein soll haben im Kollektiv der Menschheit unvorstellbar grosse Traumata verursacht. Ich laste es massgeblich den Weltreligionen an, dass so viele Kinder, Frauen und Töchter weltweit von Vätern, Priestern und anderen Männern missbraucht und vergewaltigt werden, weil die Sexualität der Menschen von den religiösen Institutionen in völlig unnatürliche Bahnen gepresst wird, aus denen die Menschen dann auf pervertierte Weise ausbrechen müssen. Nicht nur diese körperliche Gewalt resultiert daraus, sondern ein allgegenwärtiger Kampf zwischen Frau und Mann, der sich in alle Lebensbereiche hinein zieht, welcher das paradiesische Leben auf der Erde in eine „Hölle auf Erden“ verwandelt.
Auch heute noch hält die Kirche im Grundsatz an all dem fest. So dürfen nur Männer Pfarrer werden, Frauen bleiben ausgeschlossen. Am Zölibat wird festgehalten. Die ach so erhabenen Päpste können und/oder wollen keine grundsätzliche Änderung herbeiführen.
Diese grundsätzlichen Probleme, die die Kirche in sich trägt, sitzen so tief, das ich keinen Weg sehe wie sich das zu etwas positivem transformieren könnte. Überall dort, wo die Kirche sich zu entwickeln versucht, gerät sie in Konflikt mit den eigenen alten Regeln und Vorstellungen.
Natürlich geschehen im Namen der Kirche auch gute Dinge, das habe ich beispielsweise als Jungwachtleiter erfahren. Und natürlich gibt es auch ganz tolle Menschen, die im Dienste der Kirche stehen (Ich denke da zum Beispiel an den Pfarreileiter von St. Nimmerlein Emmen*, Peter Lustig*). Diese Menschen sind für mich Vorbilder, die mit mir in Beziehung gegangen sind, die mich gefördert haben. Das ändert jedoch nichts daran, dass das Fundament dieser Institution auf Herrschsucht und Frauenverachtung gebaut ist. Darum bleibt mir kein anderer Ausweg, als aus dieser Kirche auszutreten, und mit meinem Austritt ein kleines Zeichen zu setzen.
Zuletzt möchte ich noch betonen, dass mein Kirchenaustritt nicht mit Abwendung von der Spiritualität gleichzusetzen ist, im Gegenteil. Wahre Spiritualität erfordert einen mündigen, freien Geist. Starre, konservative Strukturen wie die einer Kirche mindern jedoch meiner Meinung nach eher die Mündigkeit, Freiheit und das selbständige Denken.
Ich habe die Entscheidung, aus der Kirche auszutreten, lange vor mir hergeschoben. Es nagt schon seit geraumer Zeit an mir. Ich habe schon seit Jahren Gewissensbisse: Wie kann ich Teil dieses „Vereins“ sein? Wie kann ich diesem System durch meine Mitgliedschaft Energie und Gewicht geben? Nun bin ich soweit:
Hiermit trete ich, Jim Knopf*, geboren am 31.02.1987, per sofort aus der römisch-katholischen Kirche aus und fordere Sie auf, den Kirchenaustritt zur Kenntnis zu nehmen, sowie sämtliche persönlichen Daten und Dokumente zu löschen, die sich auf mich beziehen.
Ich bitte die Pfarrei St. Leodegar im Hof um schriftliche Kenntnisnahme des Kirchenaustritts.
Mit freundlichen Grüssen
Jim Knopf*