Leuchtherz hat geschrieben:gab anscheinend doch Menschen die es "anderst" sahen als heute allg. definiert. und wieso werden die "Gründe" nicht auch erwähnt?
Ich weiss nicht, inwiefern es Stoiker anders definiert haben, dazu weiss ich über sie zu wenig. Aber über Nietzsche weiß ich, dass er Mitleid nicht anders definiert hat, sondern es anders bewertet in Hinblick auf seine gesamte Philosophie, die starke nihilistische Züge hatte. Beim ihm ist der Wille durch das Streben nach Macht charakterisiert. Ein Individuum welches Mitleid bzw. leidbezogenes Mitgefühl hat, hält sich mit denjenigen auf, die durch die Evolution oder das Schicksal ohnehin zum Scheitern verurteilt sind. Daher konzentriert sich der nach Macht strebende Wille am besten ausschließlich auf die positiven Gefühle, stärkt sich dadurch und kommt seiner Bestimmung näher.
Ich habe aber Nietzsche nicht ganz gelesen oder verstanden, um eine fachkundige Auskunft zu geben. Aus verschiedenen Vorlesungen weiß ich aber, dass er Schopenhauers Philosophie (insbesondere die Ethik) strukturell vollständig angenommen, jedoch die (ethische) Bedeutung umgekehrt hat.
Leuchtherz hat geschrieben:ach lass uns doch einfach mitleiden dann sind wir ein "guter", ein ethisch handelnder Mensch.
ich möchte nichts gegen das ehrliche Mitleid sagen, aber kann man bedingungslos Mitleid haben, mit allen?
Wenn ich von Mitleid rede, dann meine ich ausschließlich ehrliches Mitleid.
Ich würde das so beschreiben:
ehrliches Mitleid = Mitleid = leidbezogenes Mitgefühl
unerhliches Mitleid = Heuchelei
Und mit deiner Aufforderung "lass uns doch einfach mitleiden" sprichst du unehrliches Mitleid an, denn Mitleid hat nichts mit einer Entscheidung zu tun. Es ist wie die Liebe, es geschieht, jenseits des Wollens.
Daher ist es eine gute Frage, ob man bedingungslos Mitleid haben kann. Ich denke, das ist eine ähnliche (wenn nicht sogar im Fundament gleiche) Frage wie die nach der bedingungslose Liebe. Einerseits JA, da Liebe und leidbezogenes Mitgefühl jenseits einer Willensentscheidung stattfinden, andererseits NEIN, da nicht alles gleichermaßen Liebe und Mitleid wecken kann, somit ist beides von äußeren Bedingungen abhängig und kann niemals bedingungslos sein.
Leuchtherz hat geschrieben:die Frage bleibt auch offen warum man Helfend handelt wenn man Mitleidet. Weil man das Leid der Anderen allg. mindern will oder weil man es selbst nicht erträgt das Leid der Anderen zu sehen? Zweiteres wäre ja dann eher selbstschützender egoismus
Das ist finde ich ebenso eine gute Frage, die die Wissenschaft noch nicht ganz beantwortet hat. Möglicherweise beides gleichermaßen. Einerseits ist es ein selbstschützender Egoismus (Selbstliebe), andererseits der Schutz eines anderen (Liebe zu anderen). Vielleicht bedingen sich diese beiden Faktoren gegenseitig. Nach Fromm schon, aber er steht mit seiner Ansicht bisher relativ isoliert da.
Eins scheint jedoch recht klar zu sein: Mitgefühl/Mitleid (mehr als Fähigkeit betrachtet) steht eng in Verbindung mit dem Gefühl der Liebe (Objekt- und Ideenliebe ausgeschlossen).